In der Oase
Kampfbereitschaft. Wer hätte das vor einem Jahr gedacht, was, Kamose? Und jetzt brauche ich eine Stärkung.«
»Lass die Pferde in den Schatten bringen und tränken«, sagte Kamose zu Anchmahor. »Und du kommst mit. Du bist der Fürst, dem ich am meisten vertraue, und ich möchte, dass du an der Unterredung teilnimmst. Hor-Aha, lass mich melden.«
In dem kühlen Dämmer des Inneren bewegte sich etwas. Die Fürsten hatten sich erhoben, und als er und Ahmose eintraten, verneigten sie sich. Alle vier waren zugegen. Kamose begrüßte sie, bat sie, sich zu setzen, und nahm sich den Stuhl am Kopfende des Tisches, der den Raum beherrschte, und Ahmose setzte sich neben ihn. Gleich darauf schlüpfte Anchmahor herein und der Kriegsrat war vollzählig.
Kamose musterte sie gemessen und sie erwiderten den Blick ernst. Wie die ihnen untergebenen Soldaten hatten auch sie sich in den Monaten in der Wüste verändert. Unter dem Kohl und dem Geschmeide, dem in weichen Falten fallenden, erlesenen Leinen war ihre Haut dunkler, das Weiß ihrer Augen strahlender geworden, und die trockenen Winde hatten feine Fältchen in ihre Gesichter geätzt. Kamose nahm all seinen Mut zusammen und hob seinen Weinbecher. »Ihr habt aus Pöbel ein Heer gemacht«, sagte er. »Ich bin zufrieden. Auf den Sieg!«
Sie lächelten und entspannten sich, hoben die eigenen Becher und tranken mit ihm.
Sie speisten, doch dann schickte Kamose die Diener fort, hob die Hand, und alle schwiegen erwartungsvoll. »Zweifellos fragt ihr euch, warum ich hier bin und euch nicht nach Het nefer Apu habe holen lassen«, begann er. »Der Grund dafür ist folgender: Fürst Hor-Aha hat einen Plan unterbreitet, der Apophis vielleicht aus seiner Festung lockt, falls er klappt. Was haltet ihr davon?« Er beobachtete sie, während er Hor-Ahas Plan darlegte, wobei seine Gedanken anders liefen als die Worte, die ihm so leicht von der Zunge gingen. Ihre Aufmerksamkeit wanderte zwischen ihm und dem General hin und her, der ungerührt zu seiner Linken saß, aber die Frostigkeit ihrer Blicke war unverkennbar. Sie ließen sich nicht gern daran erinnern, dass der schwarze Fremdländer einen Titel trug, der ihn zu einem Ebenbürtigen machte. Sie würden gegen alles sein, was Hor-Aha vorbrachte.
Doch zu seiner Überraschung sprach Mesehti, kaum dass Kamose geendet hatte. »Der Plan hat einiges für sich«, sagte er. »Keiner von uns freut sich auf ein weiteres Belagerungsjahr. Wir haben in diesem Winter viel darüber geredet, was da zu tun ist, konnten aber keine Lösung finden.« Wetten, das habt ihr nur unter euch besprochen und Hor-Aha nicht mit einbezogen, dachte Kamose bei sich.
»Und das hier ist auch keine Lösung«, sagte Intef verdrossen. »Der Plan beruht auf zu vielen Annahmen. Angenommen, Apophis begrüßt die Nachricht von unserem Hiersein in der Oase mit Freude statt mit Argwohn. Angenommen, wir können uns rechtzeitig zurückziehen, statt in diesem gottverlassenen Loch gefangen zu werden. Angenommen, seine Truppen kommen erschöpft und nicht kampfbereit in Het nefer Apu an. Angenommen, unser Heer und die Flotte können einen überlegenen Feind schlagen, statt dass wir zurückgeworfen werden und uns nach schweren Verlusten neu ordnen müssen.« Sein Ton war höhnisch. »Wir können uns keine Risiken leisten, keine solche Torheit.« Machu von Achmin faltete die beringten Finger züchtig auf dem Tisch.
»Auch ich zögere, einen so voreiligen Plan in Betracht zu ziehen«, sagte er. »Aber große Wahl haben wir nicht. In Wirklichkeit, liebe Freunde, haben wir nur eine Wahl. Belagerung. In all den Monaten fruchtloser Diskussionen hat nicht einer von uns eine Idee gehabt, die man ernstlich hätte in Betracht ziehen können. Auaris ist eine Festung. In einer offenen Feldschlacht können wir die nicht einnehmen. So viel ist gewiss.«
»Genauso gut könnten wir Schu bitten, uns hochzuheben und über die Mauern zu blasen«, meinte Iasen düster. »Gehen wir also Intefs Annahmen eine nach der anderen durch und prüfen wir, ob wir sie widerlegen können. Wie würde Apophis auf die Nachricht von unserem Hiersein reagieren? Gleichgültig, würde ich meinen. Dem ist es einerlei, wo wir sind oder was wir tun.«
»Es wäre ihm nicht einerlei, wenn man ihm von unserer Stärke und Wehrlosigkeit in der Oase erzählte«, hielt Mesehti dagegen. »Er glaubt, dass die fünftausend Mann, die in Het nefer Apu überwintert haben, unser ganzes Heer ausmachen. Was würde ich empfinden, wenn man mir
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