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In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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sagte Kamose: »Ich darf ihm nicht erlauben, dieses Risiko auf sich zu nehmen. Es ist zu gefährlich.« Ahmose gab nicht gleich Antwort, aber Kamose spürte, dass er bereits eingewilligt hatte.
    »Kamose, ich verstehe dich nicht«, sagte er jetzt. »Bislang bist du rücksichtslos gewesen, wenn sich dir etwas in den Weg stellen wollte. Dass Auaris uneinnehmbar ist, macht dich schier wahnsinnig, und jetzt, da sich dir die Gelegenheit bietet, dein Ziel zu erreichen, bist du auf einmal ganz gegen deine Art empfindsam. Warum?«
    »Es ist doch wohl unser Ziel, nicht nur meins«, sagte Kamose heftig. »Du begreifst nicht, dass Ramose ein Bindeglied zur Vergangenheit ist, zu einer freundlicheren Zeit.« Er beherrschte mit Mühe die Wut, die immer dicht unter seinem gefassten Äußeren lauerte. »Wenn ich ihn am Leben erhalte, ist das für mich, als ob ich irgendwie das Beste an Ägypten bewahrt habe, als ob nach der ganzen Mordbrennerei noch etwas Unschuldiges und Kostbares zurückgeblieben ist.« Müde fuhr er sich mit der Hand über die Augen. »Als ob noch irgendetwas von mir geblieben ist.«
    »Du kannst dich jetzt nicht so gehen lassen!«, protestierte Ahmose. »Kamose! Nicht jetzt! Dieser Plan ist gut. Wir können damit Soldaten töten, Apophis schwächen, ihn vielleicht sogar aus Ägypten vertreiben! Das weiß Ramose. Falls du die Gegenwart eines lebendigen Menschen brauchst, um dich daran zu erinnern, wer du einmal gewesen bist, dann steht es schlimm um dich!«
    Ein Dutzend scharfe Erwiderungen lagen Kamose auf der Zunge, grausame Worte, die wehtaten und ihn rechtfertigten. Er wusste, dass sein Bruder Recht hatte, wusste es im Kopf, doch sein Herz wehrte sich dagegen. Ramose bedeutete Tani, bedeutete, an trägen Frühlingsnachmittagen mit dem Wurfstock in den Sümpfen Enten zu jagen, bedeutete Familienzusammenkünfte in Teds Garten in Chemmenu, er und Si-Amun im Gras, während die Motten im Lampenlicht hin und her flatterten. »Das ist vorbei«, sagte Ahmose leise, als hätte er die leuchtenden Bilder gesehen, die seinem Bruder durch den Kopf gingen. »Alles vorbei, Kamose. Unwiederbringlich vorbei. Lass Ramose gehen.«
    »Na schön«, rang sich Kamose ab.
    »Es klappt aber nicht, wenn Ramose allein hingeht und es schafft, sich gefangen nehmen zu lassen«, sagte Ahmose. »Wozu ist er gekommen? Will er die Stadt ausspionieren? Vielleicht? Aber weder du noch ich würden solch eine Ausrede schlucken und Apophis auch nicht. Spione können in Auaris mit Leichtigkeit kommen und gehen, wenn die Stadt nicht belagert ist. Nein. Ramose muss als Begleitung abkommandiert werden. Du musst einen Brief an Apophis diktieren und ihn durch den Boten überbringen lassen, den Ramose abgefangen hat. Ramose geht mit, weil er sicherstellen will, dass der Mann ihn auch abliefert. Damit erhärtet Ramose die Informationen, die der Mann Apophis gibt, und dann entschließt er sich im Austausch für ein Treffen mit Tani zum Überlaufen. Auf diese Weise kann Ramose direkt zu jedem Setiu-Wachposten oder zu jedem Tor gehen und Einlass in den Palast fordern. Er kann seine Unterredung kühl beginnen, ja, sogar feindselig, und wird dann schwach. Falls wir Glück haben, bietet Apophis Ramose sogar Anreize, damit er uns verrät. Ramose muss überhaupt nicht lügen. Er kann die volle Wahrheit sagen.«
    Kamose bewegte sich. »Und was wird danach aus ihm?«
    »Das können wir nur raten. Apophis wird ihn nicht im Palast behalten. Entweder wirft er ihn ins Gefängnis oder er fordert, dass er für seinen neuen Verbündeten einsteht und unter strenger Bewachung durch einen Setiu-Offizier gegen uns zu den Waffen greift.« Ratlos hob er Schultern und Hände. »Wer weiß das schon? Aber du kannst sicher sein, dass Ramose durchaus weiß, was er tut. Lass ihn, Kamose. Er wird gern sterben, vorausgesetzt, er hat Tani noch ein einziges Mal gesehen.« Irgendetwas in Kamose reagierte mit eisigem Zynismus. Wie rührend arglos, sagte es spöttisch. Wie lieblich und inniglich. Ramose hält an seinem Traumbild fest wie ein Kind.
    »Du kannst in der Verfolgung deiner Ziele ganz schön beredsam sein, Ahmose«, sagte er laut. »Natürlich hast du Recht. Ich werde einen Brief an Apophis diktieren, ihn verhöhnen, mich bemühen, ihn zu erbosen, sodass er seine Truppen losschickt, damit er nicht an Gesicht verliert. Den gebe ich Ramose und dem Setiu-Herold mit. Ramose sollte den Weg nach Het nefer Apu lieber im Streitwagen machen und dann auf dem Fluss ins Delta fahren. Zwei

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