In der Schwebe
Krebsmedikamenten versucht? Dieses Ding vermehrt sich so schnell, es verhält sich fast wie ein Tumor. Könnten wir ihm vielleicht damit beikommen?«
»Beim USAMRIID haben sie Antimitotika ausprobiert in der Hoffnung, sie könnten es während der Zellteilungsphase abtöten. Unglücklicherweise waren die benötigten Dosen so hoch, dass die Wirtstiere auch draufgegangen sind. Die ganze Darmschleimhaut hat sich abgelöst. Die Tiere sind innerlich verblutet.«
Der schrecklichste Tod, den man sich vorstellen kann,
dachte Emma. Massive Blutungen in Magen und Darm. Blut strömt aus dem Mund und dem Rektum. Auf der Erde war sie einmal Zeugin eines solchen Todes geworden. Im Weltraum würde es noch entsetzlicher sein; riesige Blutstropfen würden wie Luftballons durch die Kabine schweben und alle Wände, alle Crewmitglieder bespritzen.
»Dann hat also nichts funktioniert«, sagte sie.
Todd schwieg.
»Gibt es denn gar nichts? Irgendein Mittel, das den Wirt nicht tötet?«
»Da war noch eine Sache, die sie erwähnt haben. Aber Roman glaubt, dass es nur ein vorübergehender Effekt ist. Kein Heilmittel.«
»Was ist das für eine Behandlung?«
»Eine Überdruckkammer. Man braucht mindestens zehn Atmosphären Druck. Das entspricht einer Wassertiefe von fast hundert Metern. Die infizierten Tiere, die unter diesen Hochdruckbedingungen gehalten werden, sind sechs Tage nach der Ansteckung immer noch am Leben.«
»
Mindestens
zehn Atmosphären?«
»Sobald es weniger ist, nimmt die Infektion ihren Lauf. Der Wirt stirbt.«
Emma stieß einen frustrierten Schrei aus. »Selbst wenn wir unseren Luftdruck so weit hochpumpen
könnten –
zehn Atmosphären sind mehr, als diese Station aushalten kann.«
»Schon zwei würden den Rumpf belasten«, sagte Todd. »Und man braucht auch eine Helium-Sauerstoff-Atmosphäre. Die könnt ihr auf der Station nicht herstellen. Deshalb wollte ich die Sache gar nicht erst erwähnen. In eurer Situation ist die Information vollkommen nutzlos. Wir haben schon die Möglichkeit in Betracht gezogen, eine Überdruckkammer zur ISS raufzufliegen, aber ein Gerät, mit dem man solchen Druck erzeugen kann, ist so sperrig, dass es im Laderaum der
Endeavour
transportiert werden müsste. Das Problem ist, dass die
Endeavour
schon aus dem Hangar raus ist, wo man sie hätte beladen können. Es würde mindestens zwei Wochen dauern, eine solche Kammer im Orbiter unterzubringen und damit zu starten. Und es würde bedeuten, an der ISS anzudocken und die
Endeavour
und ihre Crew eurer Kontamination auszusetzen.« Er hielt inne. »Das USAMRIID meint, das käme nicht in Frage.«
Emma schwieg. Ihre Frustration kochte allmählich zu Rage hoch. Ihre einzige Hoffnung, eine Überdruckkammer, setzte voraus, dass sie zur Erde zurückkehrten. Und das kam auch nicht in Frage.
»Wir müssen doch irgendetwas mit dieser Information anfangen können«, sagte sie. »Erklär mir, wie diese Überdrucktherapie wirken würde. Wie kam das USAMRIID überhaupt darauf, so etwas auszuprobieren?«
»Die Frage habe ich Roman auch gestellt.«
»Und?«
»Dass dies ein neuer und komplexer Organismus sei, auf den wir mit unkonventionellen Therapiemethoden reagieren müssten.«
»Er hat deine Frage also nicht beantwortet.«
»Mehr wollte er mir nicht sagen.«
Zehn Atmosphären Druck waren am oberen Limit dessen, was ein Mensch aushalten konnte. Emma war begeisterte Sporttaucherin, aber sie hatte nie gewagt, tiefer als vierzig Meter zu tauchen. Tiefen von neunzig oder gar hundert Metern waren reine Tollkühnheit. Warum hatte das USAMRIID mit so extremen Druckverhältnissen experimentiert?
Sie müssen einen Grund gehabt haben,
dachte sie.
Sie wissen etwas über diesen Organismus, was sie annehmen ließ, es könnte funktionieren. Aber sie verraten es uns nicht.
22
Der Grund, weshalb Gordon Obic »die Sphinx« genannt wurde, war noch nie so offensichtlich gewesen wie während ihres Fluges nach San Diego. Sie hatten einen der T-38-Jets von Ellington Field requiriert, und Obie saß im Cockpit, während Jack sich in den einzigen Passagiersitz zwängte. Dass sie während des Fluges kaum ein Wort wechselten, war nicht weiter überraschend. Eine T-38 ist einer gepflegten Unterhaltung nicht gerade förderlich, sitzen doch Pilot und Passagier wie zwei Erbsen in der Schote hintereinander. Aber auch während des Tankstopps in El Paso, als sie ausgestiegen waren, um sich nach anderthalb Stunden drangvoller Enge die Beine zu vertreten, hatte Obie sich nicht in
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