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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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warum schickt man sie in den Weltraum? Hat sie bei diesen Flügen mit der KC-135 irgendetwas entdeckt? Etwas, was mit Schwerelosigkeit zu tun hat?«
    Gabriel ließ sein Fenster herunter und gab den Männern ein Zeichen. Die hinteren Wagentüren wurden geöffnet. »Bitte steigen Sie jetzt aus.«
    »Warten Sie«, sagte Jack. »Wo ist Helen Koenig?«
    »Ich habe nichts mehr von ihr gehört, seit sie gekündigt hat.«
    »Warum hat sie die Einäscherung ihrer eigenen Zellkulturen angeordnet?«
    Jack und Gordon wurden aus dem Wagen gezerrt und auf ihren Mietwagen zugestoßen.
    »Wovor hatte sie Angst?«, rief Jack.
    Gabriel antwortete nicht. Sein Wagenfenster schloss sich wieder, und sein Gesicht verschwand hinter dem Schutzschild aus getöntem Glas.

23
    18. August
    Luther ließ den letzten Rest Luft aus der Mannschaftsschleuse in den Weltraum ab und öffnete die Ausstiegsluke. »Ich gehe zuerst«, sagte er. »Lass dir ruhig Zeit. Das erste Mal ist es immer etwas unheimlich.«
    Beim ersten Blick hinaus in die Leere musste Emma sich vor Schreck am Rand der Luke festhalten. Sie wusste, dieses Gefühl war ganz normal und würde vorübergehen. Dieser kurze Moment lähmender Angst überfiel fast jeden beim ersten Weltraumspaziergang. Das menschliche Gehirn akzeptiert die Weite des Raums und die Abwesenheit von Oben und Unten nicht so leicht. Millionen Jahre der Evolution hatten ihm eine panische Angst vor dem Fallen eingeprägt, und gegen diese musste Emma nun ankämpfen. Jeder Instinkt sagte ihr, wenn sie jetzt losließe, würde sie schreiend in die Tiefe stürzen, immer weiter und weiter, ohne Ende. Ihr Verstand sah natürlich ein, dass dies nicht passieren würde. Sie war durch die Schnur mit der Mannschaftsschleuse verbunden; und wenn diese reißen sollte, konnte sie immer noch ihren Satz SAFER-Steuerraketen benutzen, um sich in die Station zu retten. Um eine Katastrophe auszulösen, wäre eine höchst unwahrscheinliche Verkettung voneinander unabhängiger Zwischenfälle erforderlich.
    Aber genau das ist mit dieser Station passiert,
dachte sie. Ein Zwischenfall nach dem anderen. Eine wahre Titanic im Weltraum. Sie konnte die Vorahnung einer weiteren Katastrophe einfach nicht abschütteln.
    Sie waren bereits gezwungen gewesen, das Protokoll zu verletzen. Statt wie vorgesehen eine ganze Nacht bei reduziertem Druck in der Schleuse zu »campen«, hatten sie nur vier Stunden darin verbracht. Theoretisch sollte das als Vorbeugung gegen die Taucherkrankheit genügen, aber jede Abweichung von der normalen Vorgehensweise bedeutete einen zusätzlichen Risikofaktor.
    Sie holte einige Male tief Luft und spürte, wie die Lähmung von ihr abfiel.
    »Wie geht’s denn so?«, hörte sie Luthers Stimme im Kopfhörer.
    »Ich … will nur noch einen Moment die Aussicht genießen«, sagte sie.
    »Keine Probleme?«
    »Nein. Alles in bester Ordnung.« Sie ließ die Luke los und schwebte hinaus in den endlosen Raum.
    Diana stirbt.
    Mit wachsender Verbitterung starrte Griggs auf die Überwachungsbildschirme, die Luther und Emma bei der Arbeit an der Außenseite der Station zeigten. Arbeitsbienen, dachte er.
    Gefügige Roboter, die nach Houstons Pfeife tanzten. Viele Jahre lang war auch er eine Arbeitsbiene gewesen. Erst jetzt begriff er, was seine Rolle in dem großen Plan war. Er war wie alle anderen entbehrlich. Sie alle waren nur austauschbare ferngesteuerte Maschinen, deren wahre Funktion darin bestand, die glanzvolle NASA-Technik zu warten.
Wir gehen hier vielleicht alle nacheinander drauf, aber wir halten den Scheißladen trotzdem tipptopp in Ordnung. Zu Befehl, Sir!
    Mit ihm brauchten sie nicht mehr zu rechnen. Die NASA hatte ihn verraten, hatte sie alle verraten. Sollten Watson und Arnes doch die braven kleinen Soldaten spielen; er hatte endgültig genug davon.
    Außer Diana interessierte ihn nichts mehr.
    Er verließ das Wohnmodul und steuerte die russische Seite der Station an. Dort angekommen schlüpfte er unter der Plastikplane hindurch, die über die Luke gespannt war, und tauchte in das RSM ein. Er machte sich nicht die Mühe, Maske und Schutzbrille aufzusetzen. Was änderte das schon? Sie würden eh alle sterben.
    Diana lag festgeschnallt auf dem Behandlungstisch. Ihre Augen traten aus den Höhlen, die Lider waren angeschwollen. Ihr Bauch, der immer so flach und fest gewesen war, war nun aufgedunsen.
Angefüllt mit Eiern,
dachte er. Er malte sich aus, wie sie in ihr heranwuchsen, wie sie sich unter dieser blassen Hülle der Haut

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