In der Schwebe
Fakten. Alles, was Sie über die Chimäre herausgefunden haben. Die Autopsieergebnisse. Die Resultate der klinischen Versuche.«
»Und wenn wir nicht kooperieren? Was geschieht dann?«
»Dann werden meine Kollegen bei der NASA Faxe an jede Nachrichtenagentur im Land schicken.«
»Was genau wollen Sie ihnen sagen?«
»Die Wahrheit. Dass dieser Organismus nicht irdischen Ursprungs ist.«
Es war lange still. Jack hörte seinen eigenen Puls in der Muschel pochen.
Haben wir richtig geraten? Haben wir wirklich die Wahrheit entdeckt?
Schließlich sagte Profitt: »Ich werde Dr. Roman bevollmächtigen, Ihnen alles zu sagen. Er wird Sie in White Sands erwarten.« Die Leitung war tot.
Jack legte auf und sah Blankenship an. »Seit wann wissen Sie Bescheid?«
Blankenships Schweigen stachelte Jacks Zorn nur weiter an. Drohend trat er einen Schritt vor, und Blankenship wich zurück. »
Seit wann wissen Sie Bescheid?
«
»Erst … erst seit ein paar Tagen. Ich musste schwören, nichts zu verraten.«
»Das waren
unsere
Leute, die da oben verreckt sind!«
»Ich hatte keine Wahl! Die sind wegen dieser Sache alle total in Panik! Das Weiße Haus, das Pentagon.« Blankenship holte tief Luft und sah Jack direkt in die Augen. »Sie werden noch verstehen, wovon ich rede. Sie werden es verstehen, wenn Sie nach White Sands kommen.«
20. August
Mit dem einen Ende des Staubands zwischen den Zähnen zog Emma die Schlinge um ihren linken Arm fest an, bis die Venen wie blaue Würmer unter ihrer blassen Haut hervortraten. Rasch wischte sie mit einem Alkoholtupfer über die Elle nbeugenvene und zuckte zusammen, als die Nadel ihre Haut durchstach. Wie ein Junkie, der es kaum erwarten kann, sich den Schuss zu setzen, injizierte sie den gesamten Inhalt der Spritze, wobei sie nach der Hälfte das Stauband lockerte. Als sie damit fertig war, schloss sie die Augen und ließ sich treiben, während sie sich ausmalte, wie die HCG-Moleküle als kleine Sternchen der Hoffnung durch ihre Adern strömten und in ihr Herz und ihre Lungen wirbelten. Sich durch Arterien und Kapillargefäße ausbreiteten. Sie bildete sich ein, sie könnte die Wirkung des Hormons schon spüren – wie ihr Kopfschmerz sich langsam verflüchtigte und die heißen Flammen des Fiebers zu einem schwachen Glimmen erstickt wurden.
Noch drei Dosen sind übrig,
dachte sie.
Noch drei Tage.
Sie stellte sich vor, wie sie aus ihrem eigenen Körper hinausschwebte, und sie sah sich selbst wie aus großer Entfernung, als einen mit dunklen Flecken gesprenkelten Fötus, der zusammengerollt in einem Sarg lag. Eine Schleimblase trat aus ihrem Mund und zerplatzte zu leuchtenden, zappelnden Fäden, die aussahen wie Maden.
Abrupt öffnete sie die Augen und merkte, dass sie geschlafen hatte. Geträumt. Ihr Hemd war schweißdurchtränkt. Das war ein gutes Zeichen. Es hieß, dass das Fieber zurückgegangen war.
Sie massierte ihre Schläfen und versuchte die Traumbilder zu verbannen, doch es gelang ihr nicht; Wirklichkeit und Albträume waren eins geworden.
Sie zog das schweißnasse Hemd aus und streifte sich ein frisches aus Dianas Spind über. Trotz ihrer Albträume hatte der kurze Schlaf sie erfrischt, und sie war wieder hellwach und bereit, sich auf die Suche nach neuen Lösungen zu machen. Sie schwebte in das US-Labor und rief auf dem Computer alle Dateien über die Chimäre auf. Todd Cutler hatte ihr mitgeteilt, dass es sich um einen außerirdischen Organismus handelte, und alles, was die NASA inzwischen über diese Lebensform wusste, war auf ihren Bordcomputer übertragen worden. Sie ging die Dateien noch einmal durch, weil sie hoffte, auf irgendeine neue Inspiration zu stoßen, auf einen neuen Ansatz, auf den noch niemand gekommen war. Alles, was sie las, war deprimierend vertraut.
Sie öffnete den Genom-Ordner. Eine Nucleotidsequenz ergoss sich in einem nicht enden wollenden Strom aus den Buchstaben A, C, T und G über den Monitor. Das war der genetische Code der Chimäre – jedenfalls Teile davon. Die Teile, die das USAMRIID der NASA zur Verfügung gestellt hatte. Wie hypnotisiert starrte sie auf den Bildschirm, über den die Zeilen des Codes zogen. Dies war die Essenz der fremden Lebensform, die in ihr heranwuchs. Der Schlüssel zum Feind. Wenn sie nur wüsste, wie sie ihn benutzen konnte.
Der Schlüssel.
Plötzlich fiel ihr ein, was Jack zuletzt über Hormone gesagt hatte.
Damit ein Hormon funktionieren kann, muss es einen bestimmten Rezeptor in der Zielzelle binden. Es ist wie ein
Weitere Kostenlose Bücher