In der Schwebe
Schlüssel, der auf der Suche nach dem passenden Schloss ist.
Warum sollte ein Säugetierhormon wie das HCG die Fortpflanzung einer außerirdischen Lebensform unterbinden?
Warum sollte ein solcher Organismus, der sich so von allem Leben auf der Erde unterschied, die passenden Schlösser zu
unseren
Schlüsseln enthalten?
Auf dem Computerbildschirm war inzwischen das Ende der Nucleotidsequenz erreicht. Sie starrte auf den blinkenden Cursor und dachte an die irdischen Spezies, deren DNS die Chimäre geplündert hatte. Indem sie sich diese neuen Gene angeeignet hatte, hatte sich die fremde Lebensform in ein Wesen verwandelt, das Element von Mensch, Maus und Frosch in sich trug. Sie rief Houston über Funk. »Ich muss mit jemandem von den Lebenswissenschaften sprechen«, sagte sie.
»Mit jemand Bestimmtem?«, fragte der Capcom.
»Einem Amphibienexperten.«
»Bleiben Sie dran, Watson.«
Zehn Minuten später meldete sich ein Dr. Wang von der Lebenswissenschaftlichen Abteilung der NASA. »Sie wollen etwas über Amphibien wissen?«, fragte er.
»Ja, über
Rana pipiens,
den Leopardfrosch.«
»Was kann ich Ihnen darüber erzählen?«
»Was geschieht, wenn der Frosch menschlichen Hormonen ausgesetzt wird?«
»Irgendwelchen bestimmten Hormonen?«
»Östrogen zum Beispiel. Oder HCG.«
Dr. Wang antwortete ohne Zögern. »Die Anwesenheit von Östrogenen in der Umgebung hat auf Amphibien generell negative Auswirkungen. Das ist sogar ziemlich gut erforscht.
Einige Experten führen den weltweiten Rückgang der Froschpopulationen auf die Verunreinigung von Bächen und Teichen mit östrogenartigen Substanzen zurück.«
»Was sind das für Substanzen?«
»Bestimmte Pestizide haben zum Beispiel ähnliche Eigenschaften wie Östrogen. Sie bringen das endokrine System der Frösche durcheinander und behindern ihre Fortpflanzung und ihre gesunde Entwicklung.«
»Es bringt sie also nicht direkt um?«
»Nein, es stört nur die Fortpflanzung.«
»Sind Frösche besonders empfindlich dafür?«
»O ja. Weit mehr als Säugetiere. Außerdem haben Frösche eine durchlässige Haut, das macht sie generell empfänglicher für Giftstoffe. Das ist sozusagen ihre, nun ja, ihre Achillesferse.«
Achillesferse.
Sie schwieg einen Moment, während sie darüber nachdachte.
»Dr. Watson?«, fragte Wang. »Haben Sie noch irgendwelche Fragen?«
»Ja. Gibt es eine Krankheit oder ein Toxin, das einen Frosch töten würde, für Säugetiere aber harmlos wäre?«
»Das ist eine interessante Frage. Was Toxine anbelangt – da käme es auf die Dosis an. Gibt man einem Frosch eine geringe Menge Arsen, bringt es ihn um. In einer größeren Dosis würde Arsen allerdings auch einen Menschen töten. Dann wiederum gibt es mikrobielle Erkrankungen, ausgelöst von bestimmten Bakterien oder Viren, die nur für Frösche tödlich sind. Ich bin kein Arzt, also kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, ob sie für Menschen harmlos sind, aber …«
»Viren?«, unterbrach sie ihn. »Welche Viren?«
»Nun, zum Beispiel Ranaviren.«
»Von denen habe ich noch nie etwas gehört.«
»Die sind nur Amphibienexperten ein Begriff. Es handelt sich um DNS-Viren. Sie gehören zur Familie der Iridoviren. Wir glauben, dass sie das ödematöse Syndrom bei Kaulquappen auslösen. Die Kaulquappen schwellen an, und es kommt zu inneren Blutungen.«
»Und das ist tödlich?«
»Allerdings.«
»Tötet das Virus auch Menschen?«
»Ich weiß es nicht. Ich glaube, das weiß niemand. Aber ich weiß, dass Ranaviren auf der ganzen Welt komplette Froschpopulationen ausgelöscht haben.«
Die Achillesferse,
dachte sie.
Ich habe sie gefunden.
Die Chimäre war, indem sie ihrem eigenen Genom die DNS des Leopardfroschs hinzugefügt hatte, zum Teil ein amphibisches Lebewesen geworden. Und sie hatte auch die wunden Punkte der Amphibien übernommen.
Sie fragte: »Gibt es eine Möglichkeit, an lebende Exemplare dieser Ranaviren heranzukommen? Um sie gegen die Chimäre zu testen?«
Es war lange still. »Ich verstehe«, sagte Dr. Wang schließlich. »Das hat noch niemand versucht. Niemand ist auch nur auf den Gedanken gekommen …«
»Können Sie das Virus besorgen?«, unterbrach sie ihn. »Ja. Ich weiß von zwei amphibienwissenschaftlichen Forschungslabors in Kalifornien, die mit lebenden Ranaviren arbeiten.«
»Dann tun Sie es. Und setzen Sie sich mit Jack McCallum in Verbindung. Er muss darüber informiert werden.«
»Er ist gerade mit Gordon Obie nach White Sands aufgebrochen. Ich werde sie
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