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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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dort anrufen.«
    Steppenläufer kullerten in einer Wolke aus peitschendem Sand über die Straße. Die Männer fuhren an dem Wachhäuschen und dem elektrischen Zaun vorbei auf das öde Armeegelände. Jack und Gordon stiegen aus dem Wagen und blinzelten zum Himmel empor. Die Sonne war ein trüber orangefarbener Fleck, verdunkelt von dem Staub, den der Wind hier unentwegt aufwirbelte. Sie hatten nur ein paar Stunden schlafen können, bevor sie in Ellington gestartet waren, und allein das bloße Tageslicht tat Jacks Augen weh.
    »Hier entlang, meine Herren«, sagte der Fahrer.
    Es war ein ganz anderer Empfang als bei Jacks letztem Besuch. Diesmal behandelte der Geleitschutz der Armee sie höflich und mit Respekt. Diesmal erwartete Dr. Isaac Roman sie in der Eingangshalle, wenn er auch über ihre Ankunft nicht übermäßig glücklich schien.
    »Nur Sie dürfen mit mir kommen, Dr. McCallum«, sagte er. »Mr. Obie wird hier warten müssen. So ist es abgemacht.«
    »Ich habe keine solche Abmachung getroffen«, erwiderte Jack.
    »Mr. Profitt hat das für Sie getan. Es ist nur ihm zu verdanken, dass Sie dieses Gebäude betreten dürfen. Ich habe nicht allzu viel Zeit, also bringen wir es hinter uns.« Er drehte sich um und ging in Richtung der Fahrstühle.
    »Ein typisches Exemplar von Arschloch Marke US-Army«, sagte Gordon. »Gehen Sie nur. Ich warte hier.«
    Jack folgte Roman in den Aufzug.
    »Unsere erste Station ist Ebene U 2«, sagte Roman, »wo unsere Tierversuche untergebracht sind.« Die Fahrstuhltür öffnete sich, und sie standen vor einer Glaswand. Es war ein Sichtfenster.
    Jack trat an das Fenster und blickte sich in dem dahinter liegenden Labor um. Er sah ein Dutzend Arbeiter, die biologische Schutzanzüge trugen, sowie Käfige mit Klammeraffen und Hunden. Direkt am Fenster standen gläserne Rattenkäfige. Roman deutete auf die Ratten. »Sie werden bemerken, dass auf jedem Käfig Datum und Uhrzeit der Infektion vermerkt sind. Ich kann mir keine bessere Art und Weise vorstellen, die tödlichen Eigenschaften der Chimäre zu demonstrieren.«
    Die sechs Ratten in dem mit »Tag 1« beschrifteten Käfig schienen bei bester Gesundheit und strampelten munter in ihren Laufrädern.
    In dem zweiten Käfig waren bereits erste Anzeichen der Krankheit zu erkennen. Zwei der sechs Ratten zitterten heftig und hatten blutrote Augen. Die anderen kauerten in einem lethargischen Haufen aufeinander.
    »Die ersten beiden Tage«, erklärte Dr. Roman, »bilden die Fortpflanzungsphase der Chimäre. Sie müssen verstehen, dass dies allem widerspricht, was wir von der Erde her kennen. Gewöhnlich muss eine Lebensform das Stadium der Reife erreichen, bevor sie sich fortpflanzen kann. Die Chimäre pflanzt sich jedoch
zuerst
fort und beginnt dann zu reifen. Sie teilt sich mit großer Geschwindigkeit und produziert bis zu hundert Ableger in achtundvierzig Stunden. Sie sind zunächst mikroskopisch klein – mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen. So klein, dass Sie sie einatmen oder durch die Schleimhäute absorbieren können. Sie ahnen nicht einmal, dass Sie infiziert sind.«
    »Sie sind also bereits in dieser frühen Phase ihres Lebenszyklus ansteckend?«
    »Sie sind in
jeder
Phase ihres Lebenszyklus ansteckend. Sie müssen lediglich in die Atemluft gelangen. Das geschieht normalerweise um den Todeszeitpunkt des Opfers herum, oder wenn der Körper einige Tage nach dem Tod aufplatzt. Sobald Sie mit der Chimäre infiziert sind, sobald sie sich in Ihrem Körper zu vermehren begonnen hat, fangen die einzelnen Ableger an zu wachsen. Sie entwickeln sich zu …« Er hielt inne. »Wir wissen nicht so recht, wie wir es nennen sollen. Eihüllen, würde ich sagen. Denn sie enthalten eine larvenähnliche Lebensform.«
    Jacks Blick wanderte weiter zu dem mit »Tag 3« gekennzeichneten Käfig. Hier lagen alle Ratten in Zuckungen; sie schlugen mit den Beinen um sich, als würde man ihnen permanent Stromstöße versetzen.
    »Am dritten lag«, fuhr Roman fort, »wachsen die Larven bereits sehr rasch. Allein durch ihre Ausdehnung verdrängen sie die Gehirnmasse des Opfers. Sie schädigen die neurologischen Funktionen des Wirtsorganismus nachhaltig. Und am vierten Tag …«
    Sie schauten in den vierten Käfig. Alle Ratten bis auf eine waren tot. Man hatte die Kadaver noch nicht entfernt; mit steifen Beinen und offenen Mäulern lagen sie da. Es gab noch drei weitere Käfige, die den Prozess der Zersetzung dokumentierten.
    Am fünften Tag begannen die Kadaver

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