In der Schwebe
anzuschwellen.
Am sechsten Tag waren die Bäuche noch stärker aufgebläht, bis die Haut so straff war wie das Fell einer Trommel. Eine zähe Flüssigkeit sickerte aus den offenen Augen und glitzerte auf den Nasenlöchern.
Und am siebten Tag …
Jack blieb vor dem Fenster stehen und starrte in den siebten Käfig. Zerfetzte Kadaver lagen am Boden verstreut wie geplatzte Luftballons; die aufgerissene Haut gab den Blick auf einen schwarzen Brei aus zersetzten Organen frei. Und am Gesicht einer Ratte klebte eine gallertartige Masse aus matt leuchtenden Kügelchen, die leise zitterten.
»Die Eihüllen«, sagte Roman. »In diesem Stadium sind die Körperhöhlen damit prall gefüllt. Sie wachsen mit erstaunlicher Geschwindigkeit, indem sie sich vom Gewebe des Wirts ernähren. Sie verdauen seine Muskeln und Organe.« Er sah Jack an. »Sind Sie mit dem Lebenszyklus parasitischer Wespen vertraut?«
Jack schüttelte den Kopf.
»Die ausgewachsene Wespe injiziert ihre Eier in eine lebende Raupe. Die Larven wachsen heran und ernähren sich von der Hämolymphflüssigkeit des Wirtstieres. Die Raupe ist während dieser ganzen Zeit
am Leben.
Sie brütet eine fremde Lebensform aus, die sie von innen auffrisst, bis die Larven schließlich aus dem berstenden Kadaver des Wirts ausschlüpfen.« Roman blickte auf die toten Ratten. »Auch diese Larven vermehren sich im Körper eines lebenden Opfers und wachsen dort heran. Und das Wirtstier stirbt schließlich daran. An dieser Masse von Larven, die sich im Schädel ausbreiten. Die an der Oberfläche der grauen Gehirnmasse nagen, Kapillargefäße beschädigen und innere Blutungen auslösen. Der Druck steigt. Die Blutgefäße in den Augen schwellen an und platzen. Der Wirt leidet unter furchtbaren Kopfschmerzen, Sehstörungen und Verwirrungszuständen. Er taumelt und stolpert herum, als sei er betrunken. Und nach drei oder vier Tagen ist er tot. Und diese Lebensform ernährt sich immer weiter von der Leiche. Plündert ihre DNS und benutzt sie zur Beschleunigung ihrer eigenen Evolution.«
»Und wohin führt diese Evolution?«
Roman sah Jack an. »Wir kennen den Endpunkt nicht. Mit jeder neuen Generation erwirbt die Chimäre DNS von ihrem Wirt. Die Chimäre, mit der wir jetzt experimentieren, ist nicht mehr die Gleiche, mit der wir angefangen haben. Das Genom ist jetzt komplexer geworden, die Lebensform höher entwickelt.«
Immer menschenähnlicher,
dachte Jack.
»Das ist der Grund für die absolute Geheimhaltung«, sagte Roman. »Irgendein Terrorist, irgendein feindliches Land könnte weitere Exemplare dieses Lebewesens aus dem Galapagosgraben gewinnen. In den falschen Händen wäre dieser Organismus …« Er verstummte.
»Also ist nichts daran das Werk von Menschenhand?«
Roman schüttelte den Kopf. »Der Organismus wurde durch Zufall in dem Tiefseegraben entdeckt. Die
Gabriella
holte ihn an die Oberfläche. Zuerst glaubte Dr. Koenig, sie sei auf eine neue Unterart von Archäen gestoßen. Stattdessen hatte sie das hier gefunden.« Er sah auf die wimmelnde Masse von Eiern. »Tausend Jahre waren sie in den Trümmern dieses Asteroiden gefangen. Sechstausend Meter unter dem Meeresspiegel. Das hat sie während all dieser Zeit in Schach gehalten. Nur die Tatsache, dass der Asteroid in den Ozean und nicht auf das Festland gestürzt ist.«
»Jetzt verstehe ich, weshalb Sie mit der Überdruckkammer experimentiert haben.«
»Die Chimäre hat über Jahrhunderte in diesem Meeresgraben ein harmloses Dasein gefristet. Wir dachten, wir könnten sie wieder unschädlich machen, indem wir sie den gleichen Druckverhältnissen aussetzten.«
»Und, ist es Ihnen gelungen?«
Roman schüttelte den Kopf. »Nur vorübergehend. Diese Lebensform hat eine dauerhafte Veränderung erfahren, als sie der Mikrogravitation ausgesetzt war. Auf irgendeine Weise hat sich ihr Fortpflanzungsmechanismus in Bewegung gesetzt, als sie an Bord der ISS kam. Es scheint, als sei sie auf dieses todbringende Verhalten programmiert. Allerdings bedurfte es der
Abwesenheit
von Schwerkraft, um dieses Programm wieder zu starten.«
»Wie vorübergehend ist diese Überdrucktherapie?«
»Die infizierten Mäuse bleiben gesund, so lange sie in der Kammer sind. Wir haben sie jetzt zehn Tage am Leben gehalten. Aber wenn wir eine Maus herausnehmen, nimmt die Krankheit wieder ihren Lauf.«
»Was ist mit den Ranaviren?« Erst vor einer Stunde hatte Dr. Wang von der Lebenswissenschaftlichen Abteilung der NASA Jack telefonisch informiert. In
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