In der Schwebe
Blankenship an der Tür, ein gedrungener kleiner Napoleon im Bademantel.
»Es ist drei Uhr morgens«, sagte er. »Was in aller Welt tun Sie hier?«
»Wir müssen mit Ihnen reden«, sagte Gordon.
»Ist etwas mit meinem Telefon nicht in Ordnung? Hätten Sie nicht vorher anrufen können?«
»Wir können das Telefon nicht benutzen. Nicht in dieser Angelegenheit.«
Sie betraten das Haus. Erst als die Haustür ins Schloss fiel, sagte Jack: »Wir wissen, was das Weiße Haus zu verbergen versucht. Wir wissen, wo die Chimäre herkommt.«
Blankenship starrte ihn an. Seine Verärgerung über die gestörte Nachtruhe war augenblicklich verflogen. Dann sah er Gordon an, als suchte er bei ihm nach einer Bestätigung für Jacks Worte.
»Es erklärt alles«, sagte Gordon. »Die Geheimniskrämerei des USAMRIID. Die übersteigerte Reaktion der Regierung. Und die Tatsache, dass das Verhalten dieses Organismus unsere Ärzte vor ein so unlösbares Rätsel stellt.«
»Was haben Sie herausgefunden?«
Jack beantwortete die Frage. »Wir wissen, dass die Chimäre DNS des Menschen, der Hausmaus und einer Froschart in sich vereinigt. Aber das USAMRIID will uns nicht verraten, welche andere DNS sich noch auf dem Genom befindet. Es will uns nicht verraten, was die Chimäre in Wirklichkeit ist oder wo sie herkommt.«
»Sie haben mir gestern Abend gesagt, der Bazillus sei in einer Nutzlast von SeaScience an Bord gelangt. In einer Archäen-Kultur.«
»Das haben wir auch gedacht. Aber Archäen sind harmlose Lebewesen. Sie können beim Menschen keine Krankheiten auslösen, weshalb das Experiment auch von der NASA angenommen wurde. Irgendetwas an dieser speziellen Archäenart ist aber anders. Etwas, wovon SeaScience uns nichts gesagt hat.«
»Was meinen Sie mit ›anders‹?«
»Ihre Herkunft. Sie stammen aus dem Galapagos-Graben.«
Blankenship schüttelte den Kopf. »Ich verstehe nicht, was daran so bedeutend sein soll.«
»Die Kultur wurde von Wissenschaftlern entdeckt, die mit dem Forschungsschiff
Gabriella
unterwegs waren. Es gehört SeaScience. Einer dieser Wissenschaftler war ein gewisser Dr. Stephen Ahearn, der mit dem Flugzeug zur
Gabriella
geflogen wurde, offenbar, weil man ihn ganz kurzfristig als Berater benötigte. Eine Woche später war er tot. Sein Mini-UBoot verkeilte sich am Grund des Grabens, und er erstickte.«
Blankenship sagte nichts, sah Jack aber unverwandt in die Augen.
»Dr. Ahearn war bekannt für seine Forschungen über Tektite«, sagte Jack. »Dabei handelt es sich um glasartige Fragmente, die entstehen, wenn ein Meteorit auf der Erde einschlägt. Das war Dr. Ahearns Spezialgebiet. Die Geologie von Meteoriten und Asteroiden.«
Immer noch schwieg Blankenship.
Warum zeigt er keine Reaktion?,
überlegte Jack.
Begreift er nicht, was das bedeutet?
»SeaScience hat Ahearn nach Galapagos geflogen, weil man das Urteil eines Geologen benötigte«, sagte Jack. »Man brauchte eine genaue Identifizierung dessen, was man auf dem Meeresgrund gefunden hatte. Nämlich einen Asteroiden.«
Blankenships Miene war jetzt vollkommen starr. Er drehte sich um und ging in die Küche.
Jack und Gordon folgten ihm. »Deshalb hat das Weiße Haus solche Angst vor der Chimäre!«, sagte Jack. »Sie wissen, wo sie herkommt. Sie wissen, worum es sich dabei handelt!«
Blankenship nahm den Telefonhörer ab und wählte eine Nummer. Kurz darauf sagte er: »Hier ist Ken Blankenship, Direktor des JSC. Ich muss mit Jared Profitt sprechen. Ja, ich weiß, wie spät es ist. Es handelt sich um einen Notfall; wenn Sie mich also bitte mit seinem Privatanschluss verbinden würden …« Es war einen Augenblick still. Dann sagte Blankenship: »Sie wissen Bescheid. Nein, ich habe es ihnen nicht gesagt. Sie sind selbst drauf gekommen.« Pause. »Jack McCallum und Gordon Obie. Ja, Sir, sie stehen hier in meiner Küche.« Er reichte Jack den Hörer. »Er möchte mit Ihnen sprechen.«
Jack nahm den Hörer. »Hier spricht McCallum.«
»Wie viele Leute wissen Bescheid?«, fragte Jared Profitt ohne Umschweife.
Die Frage machte Jack augenblicklich klar, wie vertraulich diese Information war. Er antwortete: »Unser medizinisches Personal ist eingeweiht. Und ein paar Mitarbeiter aus der Lebenswissenschaftlichen Abteilung.«
»Können Sie alle es für sich behalten?«
»Das kommt darauf an.«
»Worauf?«
»Ob Ihre Leute mit uns zusammenarbeiten. Ihre Informationen an uns weitergeben.«
»Was wollen Sie, Dr. McCallum?«
»Vollständige Offenlegung der
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