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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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geführt wurden, und konnte sich schon bald ein Bild von der Krise machen, mit der Carpenter es zu tun hatte. Genau das gleiche Problem war vor zwei Jahren in Jacks eigener integrierter Simulation aufgetaucht, als er noch dem Astronautenkorps angehört und sich auf die Mission STS 145 vorbereitet hatte. Die Shuttle-Crew hatte einen rapiden Druckabfall in der Kapsel gemeldet, der auf ein Leck hindeutete, durch das die Luft sehr schnell ausströmte. Sie hatten keine Zeit gehabt, die Fehlerquelle ausfindig zu machen, sondern die Umlaufbahn vorzeitig verlassen müssen.
    Der Flugdynamik-Offizier, der in der vordersten, auch »Schützengraben« genannten Konsolenreihe saß, berechnete eilig verschiedene Flugbahnen, um den besten Landeplatz zu bestimmen. Niemand betrachtete das hier als ein Spiel; zu deutlich war allen bewusst, dass sieben Menschen in Lebensgefahr schweben würden, wäre diese Krise echt.
    »Kabinendruck auf neunhundertachtundfünfzig Hektopascal gefallen«, meldete die Umgebungskontrolle.
    »Edwards Air Force Base«, verkündete der Flugdynamik-Offizier. »Zeitpunkt des Aufsetzens voraussichtlich dreizehnhundert.«
    »Der Kabinendruck wird bei diesem Tempo auf vierhundertachtzig Hektopascal fallen«, sagte der Mann von der Umgebungskontrolle. »Schlage vor, dass sie jetzt gleich ihre Helme aufsetzen, bevor sie die Wiedereintritts-Sequenz einleiten.«
    Der Capcom, der für die Kommunikation mit der Kapsel zuständige Offizier, gab den Rat an die
Atlantis
weiter.
    »Verstanden«, antwortete Commander Vance. »Helme sind aufgesetzt. Wir leiten die Wiedereintritts-Zündung ein.«
    Gegen seinen Willen wurde Jack in das brisante Spiel hineingezogen. Während die Sekunden verstrichen, hielt er den Blick auf die zentrale Anzeigentafel an der Vorderwand des Kontrollraums geheftet, wo auf einer Weltkarte die Flugbahn des Raumtransporters dargestellt wurde. Auch wenn er wusste, dass alle diese Krisen der niederträchtigen Fantasie eines Simulationsteams entsprangen, hatte die grimmige Ernsthaftigkeit, mit der die Übung absolviert wurde, auf ihn abgefärbt. Er merkte kaum, wie sich seine Muskeln anspannten, während er verfolgte, wie auf dem Bildschirm immer neue Daten aufleuchteten.
    Der Kabinendruck war auf vierhundertachtzig Hektopascal gefallen.
    Die
Atlantis
trat in die oberste Schicht der Atmosphäre ein. Sie befanden sich jetzt im Funkloch, der zwölfminütigen Phase beim Wiedereintritt, während derer die Luft um den Raumtransporter herum sich durch atmosphärische Reibung so ionisiert, dass jeglicher Funkverkehr abgeschnitten wird.
    »
Atlantis,
hören Sie mich?«, fragte der Capcom.
    Plötzlich war Commander Vance’ Stimme wieder da: »Wir hören Sie laut und deutlich, Houston.«
    Wenige Sekunden später legte die Kapsel eine perfekte Landung hin.
Game over.
    Im Flugkontrollraum brandete Applaus auf.
    »Okay, Leute! Gute Arbeit!«, sagte Flugdirektor Carpenter.
    »Einsatzbesprechung um fünfzehnhundert. Jetzt ist erst mal Mittagspause.« Mit einem zufriedenen Lächeln nahm er den Kopfhörer ab und sah Jack zum ersten Mal an. »He, dich habe ich hier ja schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen.«
    »Ich hab bei den Zivilisten Doktor gespielt.«
    »Bist wohl auf die große Kohle aus, was?«
    Jack lachte. »Ja, ich weiß gar nicht wohin mit all dem Geld.«
    Er warf einen Blick auf die Controller, die es sich jetzt mit ihren Lunchpaketen an den Konsolen bequem machten. »Ist die Simulation gut gelaufen?«
    »Ich bin sehr zufrieden. Wir haben alle Klippen umschifft.«
    »Und die Shuttle-Crew?«
    »Ist bereit.« Carpenter warf ihm einen viel sagenden Blick zu.
    »Einschließlich Emma. Sie ist in ihrem Element, Jack, also bring sie bitte nicht durcheinander. Sie braucht jetzt ihre volle Konzentration.« Das war mehr als nur ein freundlicher Hinweis. Es war eine Warnung:
Behalt deine persönlichen Angelegenheiten für dich. Wehe, du kratzt an der Moral meiner Truppe.
    Jacks Stimmung war gedämpft, ja sogar etwas zerknirscht, als er draußen in der drückenden Hitze vor Bau 5, in dem sich die Flugsimulatoren befanden, auf Emma wartete. Sie kam zusammen mit dem Rest der Crew heraus. Offenbar hatte gerade jemand einen Witz gemacht, denn sie waren am Lachen. Dann fiel ihr Blick auf Jack, und ihr Lächeln verschwand.
    »Ich wusste nicht, dass du kommen würdest«, sagte sie.
    Er zuckte mit den Achseln und sagte verlegen: »Ich auch nicht.«
    »Einsatzbesprechung in zehn Minuten«, sagte Vance.
    »Ich komme«, erwiderte

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