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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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vergessen hat. »Was wer gerade denkt?«, fragte er.
    »Die Astronauten. Ich frage mich, ob sie denken: ›O Scheiße, worauf habe ich mich da bloß eingelassen?‹«
    Er zuckte mit den Achseln und nippte an seinem Scotch. »Im Moment denken sie gar nichts. Sie schlafen nämlich.«
    »An ihrer Stelle könnte ich jetzt gar nicht schlafen.«
    »Ihr Tag-Nacht-Rhythmus ist total umgestellt. Sie sind wahrscheinlich vor zwei Stunden zu Bett gegangen.«
    »Nein, ich meine, ich würde
überhaupt
nicht schlafen. Ich würde wach liegen und mir überlegen, wie ich da wieder rauskäme.«
    Er lachte. »Ich schwöre Ihnen,
wenn
die wach sind, dann nur, weil sie es nicht abwarten können, in dieses Ding zu steigen und loszudüsen.«
    Sie beäugte ihn neugierig. »Sie gehören zum Programm, nicht wahr?«
    »Früher mal. Astronautenkorps.«
    »Jetzt nicht mehr?«
    Er hob das Glas an die Lippen und spürte, wie die Eiswürfel an seine Schneidezähne stießen. »Ich bin im Ruhestand.« Er stellte das leere Glas ab, und beim Aufstehen sah er einen Funken Enttäuschung in den Augen der Frau aufblitzen. Er erlaubte sich, ein paar kurze Gedanken daran zu verschwenden, wie der Rest des Abends aussehen
könnte,
wenn er blieb und die Unterhaltung fortsetzte. Angenehme Gesellschaft. Die Aussicht auf mehr.
    Stattdessen zahlte er und verließ das Hilton.
    Um Mitternacht stand er am Strand von Jetty Park und starrte über das Wasser auf die Startrampe 39B.
Ich bin hier,
dachte er.
Auch wenn du es nicht weißt – ich bin bei dir.
    Er setzte sich in den Sand und wartete auf die Morgendämmerung.

24. Juli, Houston
    »Über dem Golf liegt ein Hochdrucksystem, das voraussichtlich für klaren Himmel über Cape Canaveral sorgen wird. Eine RTLS-Landung ist also drin. Edwards Air Force Base meldet leichte Bewölkung, die sich aber bis zum Start verzogen haben dürfte. Der TAL in Saragossa, Spanien, ist bereit und voraussichtlich klar, ebenso der TAL in Morón, Spanien. Ben Guerir in Marokko meldet starke Windböen und Sandstürme und kommt derzeit nicht als TAL in Frage.«
    Der erste Wetterbericht des Tages, der zeitgleich nach Cape Canaveral übertragen wurde, brachte gute Neuigkeiten. Flugdirektor Carpenter war zufrieden. Der Start war nicht gefährdet. Die schlechten Landebedingungen am Flughafen Ben Guerir war kein Anlass zu großer Besorgnis, da die beiden anderen transatlantischen Landeplätze in Spanien klar waren. Es waren sowieso nur Alternativen für den Fall, dass andere Alternativen nicht machbar sein sollten; man würde die Landeplätze nur bei einem schwerwiegenden technischen Versagen benötigen.
    Er warf einen Blick in die Runde seiner Teamkollegen, um zu sehen, ob es irgendwelche neuen Schwierigkeiten gab. Die nervöse Anspannung im Flugkontrollraum war mit Händen zu greifen, und sie stieg weiter an, wie stets vor einem Start – und das war gut so. Der Tag, an dem sie
nicht
angespannt waren, war der Tag, an dem sie Fehler machten. Carpenter wollte seine Leute so auf Draht sehen, dass die Synapsen nur so glühten – ein Grad von Wachsamkeit, der um diese mitternächtliche Stunde eine Extradosis Adrenalin erforderte.
    Carpenters Nerven waren ebenso gespannt wie die der anderen, ungeachtet der Tatsache, dass der Countdown genau nach Plan verlief. Das Inspektionsteam in Kennedy hatte seine Kontrollen abgeschlossen. Das Team der Flugdynamik hatte die Startzeit auf die Sekunde bestätigt. Inzwischen beobachteten Tausende von Beteiligten an weit voneinander entfernten Orten die gleiche Countdown-Uhr.
    In Cape Canaveral, wo das Shuttle startbereit auf der Rampe stand, baute sich im Startkontrollzentrum derweil eine ähnliche Spannung auf. Ein Parallelteam saß hier im so genannten
Firing Room
an den Konsolen und bereitete den Start vor. Sobald die Feststoffraketen gezündet waren, würde die Bodenkontrolle in Houston übernehmen. Obwohl Tausende von Kilometern dazwischen lagen, verband die beiden Kontrollräume in Houston und in Canaveral ein so dichtes Kommunikationsnetz, dass sie sich ebenso gut im selben Gebäude hätten befinden können.
    Im Marshall Space Flight Center in Huntsville, Alabama, warteten die Forschungsteams darauf, dass ihre Experimente in den Weltraum geschossen wurden.
    Zweihundertfünfzig Kilometer nord-nordöstlich von Cape Canaveral kreuzten Schiffe der Navy im Atlantik und bereiteten sich darauf vor, die Feststoffraketen, die sich nach dem Ausbrennen vom Shuttle lösen würden, aus dem Wasser zu fischen.
    An den

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