In der Schwebe
über die Startrampe, um das Dröhnen der Triebwerke zu dämpfen.
Bei T minus fünf öffneten die Bordcomputer die Ventile, durch die Flüssigsauerstoff und Wasserstoff in die Haupttriebwerke geleitet wurden.
Als die drei Triebwerke gezündet wurden, spürte sie, wie das Shuttle sich gegen die Bolzen bäumte, die es immer noch mit der Startrampe verbanden, und unter dem nicht axialen Schub einen Ruck zur Seite machte, um sich gleich darauf wieder senkrecht zu stellen.
Vier. Drei. Zwei … Jetzt gab es kein Zurück mehr.
Als die beiden Feststoffraketen zündeten, hielt sie den Atem an und ballte die Fäuste. Jetzt wurde sie bis auf die Knochen durchgerüttelt, und das Getöse war so schmerzhaft laut, dass sie in ihrem Kopfhörer kein Wort mehr verstehen konnte. Sie musste die Zähne zusammenbeißen, damit sie nicht gegeneinander schlugen. Dann spürte sie, wie das Shuttle sich in seine vorgesehene Flugbahn über den Atlantik drehte. Ihr Körper wurde durch die Beschleunigung auf 3 g in den Sitz gedrückt. Ihre Glieder waren plötzlich so schwer, dass sie sie kaum bewegen konnte, und der Raumtransporter vibrierte so heftig, dass es schien, als müsse er unweigerlich in tausend Stücke zerspringen. Sie waren jetzt bei Max Q angelangt, dem Punkt der stärksten Turbulenzen, und Commander Vance kündigte an, er werde die Haupttriebwerke drosseln. Weniger als eine Minute später würde er sie wieder auf vollen Schub hochfahren.
Die Sekunden verstrichen, und während ihr Helm um ihren Kopf herum ratterte und die Kraft der Beschleunigung ihr wie eine erbarmungslose Faust gegen die Brust drückte, fühlte Emma erneut einen kalten Hauch von Angst. Genau in diesem Moment des Starts war die
Challenger
explodiert.
Sie schloss die Augen und erinnerte sich an die Übung mit Hazel vor zwei Wochen. Sie näherten sich jetzt dem Zeitpunkt, als während der Simulation alles drunter und drüber gegangen war, als sie zum RTLS-Abbruch gezwungen worden waren und Kittredge anschließend die Kontrolle über den Raumtransporter verloren hatte. Dies war nun einmal ein kritischer Augenblick im Verlauf des Starts, und sie konnte nichts weiter tun als sich zurücklehnen und darauf hoffen, dass das wirkliche Leben gnädiger war als die Simulation.
Im Kopfhörer war Vance’ Stimme zu hören: »Bodenkontrolle, hier
Atlantis.
Gehen auf vollen Schub.«
»Roger,
Atlantis.
Gehen Sie auf vollen Schub.«
Jacks Herz schlug ihm bis zum Hals, als das Space Shuttle sich vom Boden löste und in den Morgenhimmel schoss. Er hörte das Zischen der Feststoffraketen und sah die feurige Doppelfontäne hervorschießen. Die Rauchspur wurde immer länger, während der glitzernde Stecknadelkopf des Shuttle immer höher in den Himmel stieg. Um ihn herum begann die Menge begeistert zu applaudieren. Aber Jack wusste, dass immer noch viel zu viel schief gehen konnte.
Plötzlich wurde er von Panik ergriffen – er hatte vergessen, die Sekunden mitzuzählen. Wie viel Zeit war verstrichen? Hatten sie Max Q schon überschritten? Er schirmte die Augen gegen die grelle Morgensonne ab und versuchte angestrengt die
Atlantis
auszumachen, doch alles, was er sah, war die lang gezogene Abgaswolke.
Die Menschenmenge fing schon an, sich zu zerstreuen.
Er blieb wie angewurzelt stehen, starr vor Angst. Doch er sah keine fürchterliche Explosion. Keinen schwarzen Rauch. Keinen Albtraum.
Die
Atlantis
hatte die Erde sicher hinter sich gelassen und raste jetzt auf ihrer Umlaufbahn durchs All.
Er spürte, dass ihm Tränen über die Wangen rannen, doch er machte sich nicht die Mühe, sie wegzuwischen. Er ließ sie einfach laufen, während er immer noch in den Himmel starrte, die dünner werdende Rauchspur des Raumschiffs betrachtete, mit dem seine Frau in den Weltraum aufgestiegen war.
DIE STATION
7
25. Juli, Beatty, Nevada
Sullivan Obie erwachte mit einem Stöhnen. Das Telefon klingelte. Sein Kopf fühlte sich an, als würde jemand mit einem Becken darauf einschlagen, und im Mund hatte er einen Geschmack wie von einem seit Tagen nicht mehr geleerten Aschenbecher. Er griff nach dem Telefon und stieß dabei den Hörer von der Gabel.
Ach, scheiß drauf,
dachte er. Er drehte sich um und vergrub sein Gesicht in einem wirren Nest aus Haaren.
Eine Frau?
Er schlug die Augen auf und blinzelte, als das grelle Morgenlicht seine Netzhaut traf. Da lag tatsächlich eine Frau neben ihm im Bett. Eine Blondine. Sie schnarchte. Er schloss die Augen und versuchte wieder einzuschlafen, in der
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