In der Schwebe
segeln.
Em, ich habe heute die Scheidungspapiere bekommen, und ich sage dir ganz ehrlich, ich habe kein gutes Gefühl dabei. Aber das ist ja auch nicht der Sinn dei Sache, dass man sich dabei gut fühlt, oder?
Jedenfalls ist alles fertig zum Unterschreiben. Vielleicht können wir ja jetzt, wo alles vorbei ist, wieder gute Freunde sein. So wie früher.
Jack P.S.: Humphrey ist ein kleiner Mistkerl. Du schuldest mir eine neue Couch.
Persönliche E-Mail an: Jack McCallum
Absender: Emma
Watson Amerikas Liebling? Jetzt hör aber auf! Das hier ist eher wie ein Drahtseilakt, bei dem die ganze Erde gebannt zuguckt und darauf wartet, dass ich irgendeinen Fehler mache. Und wenn das passiert, stellen sie mich an den Pranger und schreiben drunter: »Hätten sie bloß einen Mann geschickt.« Ich hasse so was. Andererseits finde ich es ganz fantastisch hier oben. Wenn du doch nur diese Aussicht sehen könntest! Wenn ich auf die Erde runterschaue und sehe, wie unglaublich schön sie ist, würde ich am liebsten die ganzen Leute da unten schütteln, bis sie endlich zur Vernunft kommen. Könnten sie doch nur erkennen, wie klein und zerbrechlich die Erde ist, und wie allein in dieser kalten, schwarzen Unendlichkeit. Dann würden sie sicher viel besser auf sie Acht geben.
(Ach ja, das ist mal wieder typisch für die Alte, diese Gefühlsduselei über den alten Heimatplaneten. Hätten sie bloß einen Mann geschickt.)
Die gute Nachricht ist, dass meine Übelkeit verschwunden ist. Ich kann jetzt von Modul zu Modul düsen und spüre kaum was dabei. Nur dass mir immer noch etwas schwummrig wird, wenn ich plötzlich durch ein Fenster die Erde sehe. Das bringt meinen Gleichgewichtssinn durcheinander, und dann brauche ich immer ein paar Sekunden, um mich zu orientieren. Ich versuche regelmäßig weiter zu trainieren, aber zwei Stunden pro Tag sind eine Menge Zeit, vor allem wenn man bedenkt, was ich alles zu tun habe. Dutzende von Experimenten wollen überwacht werden, und dann sind da die Millionen E-Mails aus der Nutzlastzentrale. Jeder Wissenschaftler beansprucht natürlich oberste Priorität für seine Lieblingsprojekte. Na, ich werde schon noch alles in den Griff kriegen. Aber heute Morgen war ich so müde, dass ich die Weckmusik aus Houston überhaupt nicht gehört habe. (Und Luther sagt, sie hätten uns mit Wagners »Walkürenritt« beschallt!)
Was die Scheidung betrifft – ich habe auch kein gutes Gefühl bei dem Gedanken, dass es jetzt endgültig sein soll. Aber wir haben doch immerhin sieben gute Jahre gehabt, Jack. Das können nicht viele Paare von sich behaupten. Ich weiß, du willst die Sache sicher möglichst schnell hinter dich bringen. Ich verspreche dir, dass ich die Papiere unterschreibe, sobald ich wieder zu Hause bin.
Wink nur immer schön!
Em
P.S.: Bei mir ist Humphrey nie an die Möbel gegangen. Was hast du nur mit ihm gemacht, dass er sich so aufführt?
Emma schaltete ihren Laptop aus und klappte ihn zusammen. Das Beantworten ihrer persönlichen E-Mails war der letzte Job des Tages. Sie hatte sich auf Nachrichten von zu Hause gefreut, aber dass Jack die Scheidung erwähnt hatte, hatte ihr einen Stich versetzt.
Er ist also bereit, den nächsten Schritt zu machen,
dachte sie.
Er will, dass wir wieder
»
gute Freunde
«
sind.
Als sie den Reißverschluss ihres Schlafsacks hochzog, stellte sie fest, dass sie wütend auf ihn war, weil er so bereitwillig akzeptierte, dass ihre Ehe zu Ende war. Zu Beginn des Scheidungsverfahrens hatte ihr jede lautstarke Auseinandersetzung ein merkwürdiges Gefühl der Bestätigung gegeben. Aber jetzt waren die Konflikte beigelegt, und Jack hatte das Stadium erreicht, in dem er sich gelassen mit allem abfand. Ohne Qualen, ohne Bedauern.
Und ich? Ich vermisse dich immer noch. Und hasse mich selbst deswegen.
Kenichi wusste nicht, ob er sie wecken sollte oder nicht. Er zögerte vor dem Vorhang ihrer Schlafkoje und überlegte, ob er noch einmal rufen sollte. Es war so eine unwichtige Sache, und er wollte sie nur ungern stören. Beim Abendessen hatte sie so müde ausgesehen; sie war sogar mit der Gabel in der Hand eingenickt. Wenn die Erdanziehungskraft wegfällt, sinkt der Körper nicht in sich zusammen, wenn man einschläft oder das Bewusstsein verliert, und so wird man auch nicht wie auf der Erde mit einem Ruck wach, weil einem der Kopf nach vorne fällt. Es war schon vorgekommen, dass übermüdete Astronauten während einer Reparatur einfach mit dem Werkzeug in der Hand
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