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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Katzenfutter geöffnet, wurde Humphreys Miauen auch schon lauter. Jack füllte den Napf mit Little Friskies und sah angewidert zu, wie sein böser Geist das Futter in sich hineinschlang. Es war erst drei Uhr nachmittags, und Jack hatte den verlorenen Schlaf noch nicht nachholen können. Er hatte die ganze Nacht an der Konsole des Flight Surgeon im ISSKontrollraum gesessen und war dann nach Hause gegangen, wo er es sich auf der Couch bequem gemacht hatte, um die ECLSS-Subsysteme für die Raumstation zu studieren. Er gehörte wieder dazu, und das war ein gutes Gefühl. Es machte ihm sogar Spaß, sich durch eine knochentrockene Anleitung zur Durchführung einer Shuttle-Operation durchzuarbeiten. Aber die Müdigkeit hatte ihn schließlich übermannt, und gegen Mittag war er eingeschlafen, umgeben von Stapeln von Handbüchern.
    Humphreys Napf war schon halb leer. Unglaublich. Als Jack aus der Küche gehen wollte, klingelte das Telefon. Es war Todd Cutler. »Wir trommeln das medizinische Personal zusammen, um die
Discovery
in White Sands zu empfangen«, sagte er. »Das Flugzeug geht in dreißig Minuten ab Ellington.«
    »Wieso White Sands? Ich dachte, die
Discovery
würde warten, bis es in Edwards aufklart.«
    »Wir haben einen Krankheitsfall an Bord und können nicht warten, bis das Wetter sich bessert. Sie verlassen in einer Stunde die Umlaufbahn. Wir müssen Infektionsschutzmaßnahmen treffen.«
    »Um welche Art von Infektion handelt es sich?«
    »Ist noch nicht identifiziert. Wir gehen auf Nummer Sicher. Bist du dabei?«
    »Ja. Ich bin dabei«, sagte Jack, ohne eine Sekunde zu zögern.
    »Dann solltest du dich beeilen, sonst verpasst du das Flugzeug.«
    »Moment. Wer ist der Patient? Wer von ihnen ist krank?«
    »Alle«, erwiderte Cutler. »Die gesamte Crew.«

13
    Infektionsschutzmaßnahmen. Vorzeitiger Wiedereintritt. Was ist da eigentlich passiert?
    Ein böiger Wind wirbelte Staub und Sandkörnchen über das Rollfeld, als Jack auf den wartenden Jet zutrabte. Während er die Stufen erklomm und durch die niedrige Luke in die Maschine stieg, musste er die Augen zukneifen. Es war eine fünfzehnsitzige Gulfstream IV, mit der die NASA ihr Personal zwischen ihren weit im Land verstreuten Basen hin und her transportierte. Es waren bereits ein Dutzend Leute an Bord, darunter einige Krankenschwestern und Ärzte der Klinik für Flugmedizin. Manche von ihnen winkten Jack zur Begrüßung zu.
    »Wir müssen los, Sir«, sagte der Copilot. »Wenn Sie sich also bitte anschnallen würden.«
    Roy Bloomfeld kam als Letzter an Bord. Sein leuchtend rotes Haar war vom Wind zerzaust. Sobald er Platz genommen hatte, schloss der Copilot die Luke.
    »Kommt Todd nicht mit?«, fragte Jack.
    »Er sitzt während der Landung an der Konsole. Sieht aus, als sollten wir den Stoßtrupp spielen.«
    Das Flugzeug rollte auf die Startbahn zu. Sie hatten keine Zeit zu verlieren; der Flug nach White Sands dauerte anderthalb Stunden.
    »Hast du eine Ahnung, worum es geht?«, fragte Jack. »Ich tappe nämlich völlig im Dunkeln.«
    »Ich habe einen kurzen Lagebericht bekommen. Du erinnerst dich doch an das Leck, das sie gestern auf der
Discovery
hatten? Sie wussten zuerst nicht, wo das Zeug herkam, aber jetzt hat sich herausgestellt, dass aus Kenichi Hirais Leichensack Flüssigkeit ausgetreten ist.«
    »Der Sack war doch luftdicht verschlossen. Wie konnte da etwas austreten?«
    »Durch einen Riss in der Plastikfolie. Die Crew sagt, der Inhalt scheint unter Druck zu stehen. Offenbar irgendein fortgeschrittener Zersetzungsprozess.«
    »Kittredge hat von einer grünlichen Flüssigkeit mit leichtem Fischgeruch gesprochen. Das hört sich kaum nach etwas an, was aus einer verwesenden Leiche austritt.«
    »Wir stehen alle vor einem Rätsel. Sie haben den Sack wieder versiegelt. Wir werden abwarten müssen, bis sie gelandet sind und wir uns den Inhalt anschauen können. Es ist das erste Mal, dass wir es in der Mikrogravitation mit einer menschlichen Leiche zu tun haben. Vielleicht ändert das etwas am Verwesungsprozess. Vielleicht gehen die anaeroben Bakterien ein, und deshalb entsteht kein übler Geruch.«
    »Wie krank ist die Crew?«
    »Hewitt und Kittredge klagen über heftige Kopfschmerzen. Mercer kotzt inzwischen wie ein Reiher, und O’Leary hat Bauchschmerzen. Wir wissen nicht, wie viel davon psychosomatisch ist. Es kann schließlich nicht spurlos an einem vorübergehen, wenn man weiß, dass man die ganze Zeit einen verwesenden Kollegen eingeatmet

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