In der Schwebe
hat.«
Psychologische Faktoren beeinflussten mit Sicherheit das Bild. Bei einem Ausbruch von Lebensmittelvergiftung stellt sich immer wieder heraus, dass ein nicht unerheblicher Prozentsatz der Opfer in Wirklichkeit gar nicht infiziert ist. Die Macht der Suggestion ist so groß, dass sie zu ähnlich heftigem Erbrechen führen kann wie eine tatsächliche Erkrankung.
»Sie mussten das Abkopplungsmanöver aufschieben. In White Sands gab es auch Probleme – eines der TACAN-Systeme dort hat falsche Signale ausgesendet. Sie haben ein paar Stunden gebraucht, um es wieder in Ordnung zu bringen.«
Das TACAN oder Tactical Air Navigation System bestand aus einer Reihe von am Boden installierten Sendern, die den Raumtransporter mit aktualisierten Daten über seinen Navigationsvektor versorgten. Ein falsches TACAN-Signal konnte dazu führen, dass das Shuttle die Landebahn glatt verfehlte.
»Jetzt sind sie zu dem Schluss gekommen, dass sie nicht mehr warten können«, sagte Bloomfeld. »Innerhalb der letzten Stunde hat sich der Zustand der Crew deutlich verschlechtert. Sowohl Kittredge als auch Hewitt haben sklerale Blutungen. So hat es auch bei Hirai angefangen.«
Das Flugzeug rollte zum Start an. Das Dröhnen der Triebwerke füllte ihre Ohren. Dann hob die Maschine ab.
Jack musste schreien, um sich in dem Getöse verständlich zu machen. »Was ist mit der ISS? Ist auf der Station jemand erkrankt?«
»Nein. Sie haben die Verbindungsluken geschlossen gehalten, um die Kontaminierung einzudämmen.«
»Die Sache ist also auf die
Discovery
beschränkt?«
»Ja, soweit wir wissen.«
Dann ist Emma okay,
dachte er und atmete erleichtert auf.
Emma ist in Sicherheit.
Aber wenn eine ansteckende Substanz mit Hirais Leiche an Bord der
Discovery
gelangt war, wieso war dann die Crew der Raumstation nicht ebenfalls infiziert?
»Wann soll das Shuttle denn landen?«, fragte er.
»Sie koppeln jetzt gerade ab. Der Deorbit Burn soll in fünfundvierzig Minuten sein, Landung gegen siebzehnhundert.«
Das ließ der Crew nicht sehr viel Zeit zur Vorbereitung. Er starrte aus dem Fenster, als die Maschine die Wolkendecke durchstieß und das goldene Sonnenlicht sich über sie ergoss.
Alles arbeitet gegen uns,
dachte er.
Eine Notlandung. Ein kaputter TACAN-Sender. Eine kranke Crew. Und das alles wird auf einem kleinen Rollfeld irgendwo in der Pampa zusammenkommen.
Jill Hewitts Kopf schmerzte, und ihre Augäpfel taten so weh, dass sie sich kaum auf die Checkliste für das Abkopplungsmanöver konzentrieren konnte. Innerhalb der letzten Stunde waren die Schmerzen in jeden einzelnen Muskel ihres Körpers gekrochen, und nun hatte sie ein Gefühl, als zuckten scharfe Blitze durch ihren Rücken und ihre Oberschenkel. Inzwischen waren die Lederhäute ihrer beiden Augen gerötet, und bei Kittredge war es genauso. Seine Augen sahen aus wie zwei blutgefüllte Ballons, glühend und knallrot. Auch er hatte Schmerzen; sie sah es an seinen Bewegungen, daran, wie langsam und vorsichtig er den Kopf drehte. Sie litten enorme Qualen, doch eine schmerzstillende Spritze wollten sie beide nicht. Das Abkoppeln und Landen verlangte äußerste Konzentration, und sie konnten es sich nicht leisten, auch nur einen Deut in ihrer Aufmerksamkeit nachzulassen.
Schafft uns nach Hause. Schafft uns nach Hause.
Das war das Mantra, das unaufhörlich in Jills Kopf ablief, während sie sich krampfhaft bemühte, weiter zu funktionieren. Ihr Hemd war schweißnass, und die Schmerzen begannen an ihrer Konzentration zu nagen.
Im Eiltempo gingen sie die Checkliste für den Abflug durch. Sie hatte das Kabel des Laptops in den Port der hinteren Konsole gesteckt, das Gerät gestartet und das Programm für das Rendezvous- und Abkopplungsmanöver aufgerufen.
»Es kommen keine Daten durch«, sagte sie.
»Was?«
»Der Port ist wohl von dem Zeug verstopft. Ich versuche es am Datenport auf dem Mitteldeck.« Sie zog das Kabel heraus. Jeder einzelne Knochen in ihrem Gesicht schrie vor Schmerzen auf, als sie mit dem Laptop in der Hand durch die Luke zwischen den Decks kroch. Das Pochen in ihren Augäpfeln war so schlimm, dass sie glaubte, sie würden aus ihren Höhlen springen. Unten auf dem Mitteldeck sah sie Mercer, der bereits seinen Druckanzug trug und für den Wiedereintritt festgeschnallt war. Er war bewusstlos – wahrscheinlich von dem Schmerzmittel, das er sich gespritzt hatte. O’Leary, der ebenfalls bereits angeschnallt war, war noch wach, wirkte aber benommen. Jill schwebte zum
Weitere Kostenlose Bücher