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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Videokonferenzraum betrat, war er auf eine blutige Schlacht vorbereitet, doch keiner der am Tisch versammelten NASA-Funktionäre ahnte, wie tief sein Zorn saß. Kein Wunder, denn Obie trug sein übliches Pokerface zur Schau und sagte kein Wort, als er sich neben die Pressesprecherin Gretchen Liu an den Tisch setzte. Gretchens Augen waren feucht und verquollen, und auch die anderen wirkten schockiert und verstört. Sie bemerkten nicht einmal, dass Gordon hereingekommen war.
    Die anderen, das waren der NASA-Verwaltungschef Leroy Cornell, der Direktor des JSC Ken Blankenship sowie ein halbes Dutzend weitere NASA-Funktionäre, die mit düsterer Miene auf die beiden Videobildschirme starrten. Auf dem einen war Colonel Lawrence Harrison vom USAMRIID zu sehen, der von dem Armeestützpunkt Fort Detrick in Maryland aus zugeschaltet war. Der andere Monitor zeigte einen ernst wirkenden, dunkelhaarigen Mann in Zivilkleidung, der als »Jared Profitt, Sicherheitsrat des Weißen Hauses« vorgestellt wurde. Er sah nicht wie ein Bürokrat aus. Mit seinen traurigen Augen und seinen hageren, fast asketischen Gesichtszügen wirkte er vielmehr wie ein mittelalterlicher Mönch, der gegen seinen Willen in ein modernes Zeitalter mit Anzügen und Krawatten versetzt worden war.
    Blankenship hatte das Wort, und seine Ausführungen waren an Colonel Harrison gerichtet. »Ihre Soldaten haben meine Leute nicht nur daran gehindert, ihre Pflicht zu erfüllen, sondern sie auch mit Waffengewalt bedroht. Einer unserer Flugärzte wurde angegriffen – mit einem Gewehrkolben zu Boden geschlagen. Wir haben drei Dutzend Zeugen …«
    »Dr. McCallum hat unseren Sicherheitskordon durchbrochen. Er wurde aufgefordert, stehen zu bleiben, und hat sich der Anordnung widersetzt«, erwiderte Colonel Harrison. »Wir hatten eine Gefahrenzone zu sichern.«
    »Die US Army ist also neuerdings bereit, Zivilisten anzugreifen und sogar auf sie zu schießen?«
    »Ken, lassen Sie uns die Sache doch einmal aus dem Blickwinkel des USAMRIID betrachten«, sagte Cornell und legte die Hand besänftigend auf Blankenships Unterarm. Reine Diplomatie, dachte Gordon angewidert. Cornell war vielleicht der Sprecher der NASA beim Weißen Haus und ihr bestes Pferd im Stall, wenn es darum ging, beim Kongress Geld locker zu machen, aber viele NASA-Mitarbeiter hatten ihm nie wirklich vertraut. Sie konnten keinem Mann vertrauen, der mehr wie ein Politiker als wie ein Ingenieur dachte. »Die Sicherung einer Gefahrenzone ist ein triftiger Grund, zu gewaltsamen Mitteln zu greifen«, sagte Cornell. »Und Dr. McCallum
hat
die Absperrung durchbrochen.«
    »Die Folgen hätten katastrophal sein können«, kam Harrisons Stimme über die Lautsprecher. »Unsere Aufklärung meldet, dass Marburg-Viren möglicherweise absichtlich in die Raumstation geschmuggelt wurden. Das Marburg-Virus ist mit Ebola verwandt.«
    »Wie soll es denn an Bord gelangt sein?«, fragte Blankenship.
    »Jedes Protokoll wird aus Sicherheitsgründen noch einmal überprüft. Alle Labortiere werden auf Krankheiten untersucht. Wir schicken keine biologischen Gefahrstoffe ins All.«
    »Es ist klar, dass Ihre Behörde das so sieht. Aber Sie erhalten Ihre experimentellen Nutzlasten von Wissenschaftlern aus dem ganzen Land. Sie mögen deren Protokolle überprüfen, aber Sie können unmöglich jede einzelne Bakterien- oder Gewebekultur untersuchen, die vor dem Start angeliefert wird. Die biologischen Materialien werden, damit sie am Leben bleiben, direkt in das Shuttle verladen. Wie, wenn nun eines dieser Experimente kontaminiert war? Bedenken Sie doch, wie leicht es ist, eine harmlose Kultur gegen einen gefährlichen Organismus wie Marburg auszutauschen.«
    »Wollen Sie damit sagen, dies war ein Sabotageakt gegen die Raumstation?«, fragte Blankenship. »Ein Fall von Bioterrorismus?«
    »Genau das will ich damit sagen. Lassen Sie mich einmal beschreiben, was mit Ihnen geschieht, wenn Sie sich mit diesem Virus infizieren. Zuerst bekommen Sie Muskelschmerzen und Fieber. Die Schmerzen sind so ungeheuer stark, dass Sie kaum eine Berührung ertragen. Eine intramuskuläre Injektion lässt Sie vor Schmerzen laut aufschreien. Dann laufen Ihre Augen rot an. Sie bekommen Leibschmerzen und müssen sich unentwegt übergeben. Sie fangen an, Blut zu erbrechen. Zuerst ist es wegen der Verdauungsprozesse noch schwarz, später sprudelt es hellrot aus Ihnen heraus, als hätte man Ihnen eine Pumpe eingebaut. Ihre Leber schwillt an und zerreißt. Ihre Nieren

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