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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Augenbraue hoch. Gordon Obie war der Direktor der Flugeinsatzabteilung, ein Mann von so ausgeprägter Schweigsamkeit und Unnahbarkeit, dass niemand im JSC ihn wirklich kannte. Es kam vor, dass er während einer gesamten Einsatzbesprechung kein einziges Wort sagte, und doch bezweifelte niemand, dass er im Geiste jedes Detail registrierte. Die Astronauten betrachteten Obie mit einer Mischung aus ehrfürchtiger Scheu und einer gehörigen Portion Angst. Er war die letzte Instanz, wenn es um die Benennung der Teilnehmer an einer Mission ging, und sein Wort konnte über eine ganze Astronautenkarriere entscheiden. Dass er Kittredges Team gelobt hatte, war mithin wirklich eine gute Nachricht.
    Im nächsten Atemzug stieß Hazel sie jedoch schon wieder von ihrem hohen Ross. »Allerdings«, sagte sie, »macht Obie sich Sorgen, dass ihr das Ganze zu leicht nehmen könntet. Dass ihr es immer noch wie ein Spiel betrachtet.«
    »Was sollen wir denn seiner Meinung nach tun?«, fragte Hewitt. »Sollen wir uns etwa ständig Gedanken machen über die zehntausend Arten, wie wir verbrennen oder sonst wie zu Tode kommen könnten?«
    »Eine Katastrophe ist kein reines Gedankenspiel.«
    Hazels ruhig ausgesprochene Feststellung ließ sie für einen Moment verstummen. Seit der
Challenger
-Katastrophe war es jedem Mitglied des Astronautenkorps bewusst, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis es wieder zu einem größeren Zwischenfall kam. Wenn man an der Spitze einer Rakete sitzt, die mit einer Schubkraft von rund dreitausend Tonnen in den Weltraum geschossen wird, kann man es sich eigentlich nicht leisten, die Risiken des Berufs auf die leichte Schulter zu nehmen. Und doch sprachen sie nur selten über den Tod im All. Indem man darüber redete, gestand man sich ein, dass es möglich war – dass man vielleicht beim nächsten
Challenger
Flug selbst auf der Besatzungsliste stehen würde.
    Hazel merkte, dass sie der Hochstimmung der Crew einen gehörigen Dämpfer aufgesetzt hatte. So sollte eine Trainingseinheit eigentlich nicht enden, und deshalb nahm sie jetzt einen Teil ihrer früheren Kritik zurück.
    »Ich sage das doch nur, weil ihr schon so gut aufeinander eingespielt seid. Ich muss mich ganz schön anstrengen, um euch ins Stolpern zu bringen. Ihr habt noch drei Monate bis zum Start, und ihr seid jetzt schon glänzend in Form. Aber ich will euch
noch
besser in Form bringen.«
    »Mit anderen Worten, Leute«, sagte Patrick von seinem Pult aus, »nicht so überheblich, bitte.«
    Bob Kittredge senkte in gespielter Demut den Kopf. »Wir gehen jetzt nach Hause und streuen uns Asche aufs Haupt.«
    »Zu viel Selbstsicherheit ist gefährlich«, sagte Hazel. Sie stand von ihrem Stuhl auf und trat auf Kittredge zu. Mit drei Shuttleflügen war Kittredge schon so etwas wie ein Veteran. Er war einen halben Kopf größer als sie und besaß das sichere und bestimmte Auftreten des Marinepiloten, der er einmal gewesen war. Doch Hazel ließ sich weder von Kittredge noch von irgendeinem anderen ihrer Astronauten einschüchtern. Ob sie nun Raketenwissenschaftler oder militärische Helden waren, in ihr lösten sie immer die gleiche mütterliche Sorge aus: den Wunsch, dass sie von ihren Missionen lebend zurückkamen.
    »Du bist ein so guter Kommandant, Bob, dass du deine Crew dazu verleitet hast, das Ganze für ein Kinderspiel zu halten.«
    »Nein, sie lassen es nur wie ein Kinderspiel
aussehen.
Weil
sie
nämlich gut sind.«
    »Wir werden sehen. Die integrierte Simulation ist für Dienstag angesetzt, mit Hawley und Higuchi an Bord. Wir werden dann ein paar neue Tricks aus dem Hut zaubern.«
    Kittredge lächelte spöttisch. »Also gut, du kannst versuchen, uns umzubringen. Aber bleib bitte fair.«
    »Das Schicksal ist selten fair«, sagte Hazel ernst. »Erwartet also nicht, dass ich es bin.«
    Emma und Bob Kittredge saßen an einem Tisch im Fly By Night Saloon und diskutierten bei einem Glas Bier die hinter ihnen liegenden Simulationen. Es war ein Ritual, das sie vor elf Monaten eingeführt hatten, zu Beginn ihrer Teambildung, als die vier zum ersten Mal als Besatzung des Shuttleflugs 162 zusammengekommen waren. Jeden Freitagabend trafen sie sich im Fly By Night, das ganz in der Nähe des Johnson Space Center an der NASA Road 1 lag, und besprachen den Fortgang ihres Trainings. Was sie richtig gemacht hatten, wo noch Verbesserungen nötig waren. Kittredge, der die Mitglieder seiner Crew persönlich ausgewählt hatte, hatte diese Treffen ins Leben gerufen. Obwohl

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