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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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ich alles«, sagte Gilroth und klopfte Baedecker auf den Oberarm. »Es besteht auch kein Grund zur Eile, Dick. Denken Sie darüber nach. Melden Sie sich im Lauf des Jahres bei mir. Oh ... und Dick ... Dave Muldorff muß gedacht haben, daß es gut wäre, wenn Sie wieder zurückkommen würden. Ich habe letzten November einen Brief von ihm bekommen, in dem er davon gesprochen hat. Er bestätigte gewissermaßen meine eigene Ansicht, daß wir versuchen sollten, einige der alten Profis zurückzubekommen.«
    Baedecker verdaute das, als Tucker und Scott zur Tür heraus kamen.
    »Da sind Sie ja«, sagte Tucker. »Wir planen einen kleinen Ausflug zur Startrampe. Möchten Sie mitkommen?«
    »Ja«, sagte Baedecker. Er drehte sich zu Gilroth um, der schon auf dem Weg war. »Don, danke für den Vorschlag. Ich melde mich bei Ihnen.«
    »Gut«, sagte der Verwaltungsangestellte und salutierte den dreien mit zwei Fingern.
    Tucker fuhr sie mit einem grünen Plymouth der NASA die acht Meilen den vierspurigen Kennedy Parkway entlang zum Startplatz 39-A. Die Montagehalle, die mit Flutlicht von oben und unten angestrahlt wurde, ragte unvorstellbar hoch über ihnen auf, als sie näher kamen. Baedecker sah zu einer amerikanischen Flagge, die auf eine Ecke der Südseite gemalt war, und stellte fest, daß allein diese Flagge so groß war, daß man hätte Football darauf spielen können. Hinter der Montagehalle wurde das Raumfahrzeug sichtbar, eingehüllt in einen schützenden Kokon von Startrampen. Suchscheinwerfer schnitten Lichtkegel aus der schwülen Luft, überall auf dem Gitter von Rohren und Streben leuchteten Lichter, und Baedecker fand, daß das ganze wie ein gigantischer Ölbohrturm aussah, an dem ein interplanetarischer Supertanker gefüllt wurde.
    Sie passierten Kontrollpunkte, dann fuhr Tucker die lange Rampe zum Fuß des Versorgungsturms hinauf. Ein weiterer Wachsoldat kam ihnen entgegen, sah Tukker, salutierte und trat in den Schatten zurück. Baedekker und Scott stiegen aus dem Wagen und sahen zu der Maschine hinauf, die über ihnen schwebte.
    In Baedeckers Augen sah das Shuttle oder SSTS, Space Shuttle Transport System, wie die Ingenieure die ganze Anlage mit der Fähre selbst, dem Außentank und den Feststoffraketen gern nannten behelfsmäßig und linkisch aus, eine unglückliche Mischung, weder Flugzeug noch Rakete, eine Art evolutionäre Zwischenstufe. Baedecker dachte nicht zum ersten Mal, daß er ein raumtüchtiges Schnabeltier vor sich hatte. Nun wurde ihm mit voller Wucht bewußt, daß das Space Shuttle das bewunderte Symbol amerikanischer Technologie schon jetzt zu einem Sammelsurium veralteter, fast überflüssiger Ausrüstung geworden war. Wie die älteren Piloten, die sie flogen, trugen die überlebenden Shuttles die Träume der sechziger und die Technologie der siebziger Jahre in das Unbekannte der neunziger und ersetzten die Weisheit schmerzvoll gelernter Lektionen durch die grenzenlose Energie der Jugend.
    Baedecker gefiel das Aussehen des rostfarbenen externen Treibstofftanks. Es war logisch, nicht kostbaren Treibstoff zu verbrennen, um tonnenweise Farbe ins Weltall zu befördern, nur damit der dünne, entbehrliche Tank Sekunden später verglühte, aber als Folge dieser logischen Entscheidung sah das Shuttle alltäglicher aus, fast schrottmäßig, ein gebrauchter Lastwagen, ohne jede Ähnlichkeit mit den blitzsauberen Vorführmodellen, die in den Anfangstagen der Raumfahrt geflogen waren. Trotz oder vielleicht gerade wegen dieses FrischeFarbe-auf-altem-Rost-Eindrucks, den die ganze unförmige Maschine machte, wurde Baedecker klar, daß er, wäre er immer noch ein fliegendes Mitglied des Teams, das Shuttle wahrscheinlich mit der reinen, nicht vernunftmäßig zu begründenden Leidenschaft lieben würde, die Männer normalerweise ihren Ehefrauen oder Geliebten vorbehalten.
    Als hätte er Baedeckers Gedanken gelesen; sagte Tukker: »Eine Schönheit, nicht?«
    »So ist es«, stimmte Baedecker zu. Ohne nachzudenken, ließ er den Blick zur Heckverbindung der rechten Feststoffschubdüse wandern. Falls dort Dämonen der ORinge lauerten, die nur darauf warteten, Schiff und Besatzung zu vernichten, indem sie mit Flammenzungen über die wasserstoffgefüllte Bombe des externen Tanks leckten, waren sie heute nicht zu sehen. Aber, überlegte sich Baedecker, die Besatzung der Challenger hatte sie auch nicht gesehen.
    Rings um sie herum waren Männer in weißen Kitteln mit der insektenhaften Zielstrebigkeit von Technikern

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