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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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alter Freund, der auf dem Mond gewesen ist.« Baedecker schüttelte einem spindeldürren Mann in einem Softballtrikot mit der Aufschrift >Bestattungsunternehmen Taylor< die Hand. Der Mann war mit einen Schmutzfilm überzogen, unter dem man an Hals, Gesicht und Handgelenken rote Runzeln sehen konnte.
    »Ich wette, du hast nie gedacht, daß ich mal heiraten würde«, sagte Sandy Serrel. »Jedenfalls keinen anderen, hm?«
    Baedecker erwiderte das Lächeln der Frau. Einer ihrer Vorderzähne war abgebrochen.
    »Komm mit. Das nächste Spiel fängt an«, sagte ihr Mann. Die große Frau packte Baedeckers Hand und Arm wieder mit einem festen Griff. »Wir müssen gehen, Dikkie. War echt sJcön dich wiederzusehen. Du solltest später mal vorbeikommen, dann stelle ich dich Shirley und den Zwillingen vor. Vergiß nur nicht, daß ich während deines ganzen Mondaufenthalts zum lieben Gott gebetet habe. Wenn wir nicht alle gebetet hätten, hätte euch der liebe Gott nie und nimmer wohlbehalten nach Hause kommen lassen.«
    »Ich werde es nicht vergessen«, sagte Baedecker. Sie bückte sich und gab ihm einen Kuß auf die Wange. Dann entfernte sie sich mit ihrem dürren Mann, und Baedecker blieb mit einem kratzenden Gefühl auf der Wange und einem hartnäckigen Geruch nach schmutzigen Handtüchern zurück.
    Er setzte sich und bestellte noch eine Runde Bier.
    »Arthur erledigt hauptsächlich anfallende Arbeiten draußen auf dem Friedhof«, sagte Phil Dixon, ein Mitglied des Stadtrats.
    »Er ist Stinky Serrels dritter Mann«, sagte Bill Ackroyd. »Sieht nicht so aus, als wäre er ihr letzter.«
    »Stin y Serrel!« sagte Baedecker und stellte das Glas auf den Tisch. »Mein Gott.« Seine einzige Erinnerung an Stinky Serrel, abgesehen davon, daß sie ein unerwünschter Eindringling war, der ihm und seinen Freunden auf der Straße folgte, war, als sie in der fünften Klasse in der Mittagspause auf dem Spielplatz zu ihm kam, nachdem jemand auf einem Hengst vorbeigeritten war.
    »Ich weiß nicht, wie ihr Jungs das machen könnt«, hatte sie gesagt und auf den Hengst gedeutet.
    »Was?« hatte er gefragt.
    »Herumlaufen, während euch ein Schwanz zwischen den Beinen herumbaumelt«, raunte sie ihm leise ins Ohr. Baedecker erinnerte sich an seinen Schock nach diesen Worten, daß er zurückgewichen und errötet war und wütend wurde, weil er errötete.
    »Stinky Serrel«, sagte Baedecker. »Großer Gott.« Er trank den Rest Bier und winkte dem Mann mit der Mütze der Legion nach mehr.
     
    Blumen waren keine da, aber die beiden Gräber waren gut gepflegt. Baedecker verlagerte das Gewicht und nahm die Sonnenbrille in die Hand. Die Grabsteine aus Granit waren identisch, abgesehen von den Inschriften: CHARLES S. BAEDECKER 1893-1956, KATHLEEN E. BAEDECKER 1900-1957. Der Friedhof war ruhig. Er wurde im Norden von hohen Maisfeldem und auf den anderen drei Seiten von Wald abgeschirmt. Schluchten fielen im Osten und Westen zu unsichtbaren Bächen ab. Baedecker konnte sich erinnern, daß er während eines Fronturlaubs seines Vaters im verregneten Frühjahr von 1943 oder 44 in den bewaldeten Hügeln jagen gegangen war. Baedecker hatte die geladene Schrotflinte und die 22er stundenlang getragen, sich aber geweigert, auf ein Eichhörnchen zu schießen. Da war während seiner kurzen pazifistischen Phase gewesen. Baedeckers Vater war angewidert gewesen, hatte aber nichts gesagt, sondern dem Jungen lediglich den fleckigen Leinwandsack, der halb voll mit toten Eichhörnchen war, zum Tragen gegeben.
    Baedecker ließ sich auf ein Knie sinken und zupfte Grashalme vom Grabstein seiner Mutter. Er setzte die Sonnenbrille wieder auf. Er dachte an den Leichnam, der keine zwei Meter unter der fruchtbaren schwarzen Erde von Illinois lag die Arme, die ihn hielten, wenn er nach Raufereien weinend vom Kindergarten nach Hause kam, die Hände, die in Nächten des Schreckens die seinen drückten, wenn er aufwachte und nicht wußte, wo oder wer er war, aufschrie und dann die leisen Schritte der Hausschuhe seiner Mutter auf dem Flur hörte, die sanfte Berührung ihrer Hände in der grauenerregenden Dunkelheit spürte. Erlösung. Rettung.
    Baedecker erhob sich, drehte sich unvermittelt um und verließ den Friedhof. Phil Dixon hatte ihn auf dem Weg zur Farm, zum Abendessen, mit Vergnügen hier abgesetzt. Baedecker hatte ihm gesagt, er würde die eindreiviertel Meilen zum Ort zu Fuß zurück gehen.
    Er schob den schwarzen Eisenriegel in die Lasche des Tors und sah noch einmal zum

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