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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Reißverschluß zu und nahm das Gewehr, das sein Schwiegersohn ihm entgegenhielt.
    »Kann keine Ratten sehen«, sagte Baedecker. Er stellte ein leeres Whiskeyglas weg und riß eine neue Dose Bier auf.
    »Man muß die kleinen Mistviecher aufscheuchen«, sagte Foster und feuerte einen Schuß in einen schon ziemlich durchlöcherten Waschzuber zwanzig Meter weiter unten am Hang ab. Dunkle Schemen stoben davon. Der Farmer lud eine neue Patrone in die Kammer und feuerte noch einmal. Etwas schnellte in die Luft und fiepste. Foster gab Baedecker das Gewehr.
    »Danke«, sagte Baedecker. Er zielte sorgfältig auf einen Schatten unter einem Philco Radioschrank und feuerte. Nichts regte sich.
    Foster hatte sich eine Zigarette angezündet, die ihm beim Sprechen an der Lippe baumelte. »Ich glaube, ich hab' irgendwo gelesen, daß du bei den Marines gewesen bist.« Er feuerte einen Schuß auf eine Frühstücksflockenpackung auf halbem Weg bergab. Ein schriller Schrei ertönte, schwarze Schemen wuselten über den Müll.
    »Ist schon lange her«, sagte Baedecker. »Korea. Mußte eine Zeitlang mit der Navy fliegen.« Die Flinte hatte fast keinen Rückstoß.
    »Ich selbst hab' nie gedient«, sagte Foster. Die Zigarette wippte. »Bruch. Wollten mich nicht. Hast du je einen Menschen erschießen müssen?«
    Baedecker verweilte mit halb erhobener Bierdose. Er stellte sie ab, als Foster ihm das Gewehr gab.
    »Mußt nicht antworten«, sagte der Farmer. »Geht mich ja auch nichts an.«
    Baedecker sah mit zusammengekniffenen Augen am Lauf entlang und drückte ab. Der trockene Knall der 22er ertönte, gefolgt von einem Poltern, als ein altes Waschbrett umkippte. »Man konnte aus dem Cockpit dieser alten Panther nicht viel sehen«, sagte Baedecker.
    »Man warf seine Ladung ab. Flog nach Hause. Viel persönlicher war es bei meinen drei bestätigten Luft-LuftAbschüssen auch nicht. Bei zweien sah ich die Piloten aussteigen. Beim dritten war mein Visier gesprungen und ölverschmiert, darum habe ich überhaupt nicht viel gesehen. Die Waffenkameras haben nicht aufgezeichnet, daß jemand ausgestiegen wäre. Aber das hast du sicher nicht gemeint. Es ist nicht dasselbe, als würde man einen MensJcen erschießen.« Baedecker lud die 22er durch und reichte sie Foster.
    »Wahrscheinlich nicht«, sagte er und feuerte rasch. Eine Ratte sprang schnurgerade und die Luft und fiel zuckend zurück.
    Baedecker warf die leere Bierdose in die Schlucht. Er nahm das Gewehr von Foster entgegen und hielt es in Schräghaltung. Baedeckers Stimme klang belegt und monoton. »Aber hier in Glen Oak hätte ich fast einmal jemanden erschossen.«
    »Ohne Scheiß? Wen?«
    »Chuck Compton. Erinnerst du dich an ihn?«
    »Den Wichser. Ja. Wie könnte man einen Fünfzehnjährigen vergessen, der noch in der sechsten Klasse saß? Hat Pall Mall auf dem Klo geraucht. Compton war ein gemeiner Hurensohn.«
    »Ja«, sagte Baedecker. »Ich beachtete ihn gar nicht, bis ich in die sechste Klasse kam. Dann beschloß er, daß er mich jeden zweiten Tag windelweich prügeln wollte. Hat mir nach der Schule aufgelauert. Solche Sachen. Ich versuchte mich freizukaufen, indem ich ihm Vierteldollarmünzen und etwas von meinem Pausenbrot gab Hershey-Schokoriegel, wenn ich welche hatte, sogar indem ich ihm Lösungen bei Erdkundearbeiten zusteckte, und so weiter. Er hat alles genommen, aber das hat nichts genützt. Compton wollte die Sachen gar nicht von mir. Es hat ihm einfach Spaß gemacht, andere Menschen zu quälen.«
    »Was ist passiert?«
    »Meine Mutter sagte mir, ich sollte mich gegen ihn wehren. Sie sagte, alle Schläger seien Feiglinge ... wenn man ihnen trotze, zögen sie Leine. Danke, Galen.« Baedecker nahm das frische Bier und trank einen großen Schluck. »Also habe ich ihn eines Freitags angesprochen und mich ihm gestellt. Er hat mir an zwei Stellen die Nase gebrochen, mir einen Zahn ausgeschlagen und mir um ein Haar die Rippen zertrümmert. Vor den anderen Kindern.«
    »Ja, typisch Compton.«
    »Ich dachte etwa eine Woche darüber nach«, sagte Baedecker. »Dann sah ich ihn an einem Samstagvormittag auf dem Spielplatz gegenüber von unserem Haus. Ich ging nach oben und holte meine doppelläufige Flinte aus Moms Schrank.«
    »Du hast eine eigene Waffe gehabt?«
    »Mein Vater hat sie mir an meinem achten Geburtstag geschenkt«, sagte Baedecker. »Schrotflinte Kaliber vierzehn unten. Einzelschuß Kaliber .22 oben.«
    »Eine Savage«, sagte Foster. »Mein Bruder hatte auch eine.« Er warf die

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