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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Attraktionen aufbauten. Plötzlich waren die Lichter von Riesenrad und Kettenkarussell angegangen, strahlende Muster vor der schwarzen Nacht des Mittelwestens. Baedecker und sein bester Freund standen reglos da und waren wie gelähmt vor Staunen.
    Baedecker erinnerte sich, wie er auf dem Mond stand und sein ohnedies abgeschirmtes Visier weiter mit der Hand im dicken Handschuh abschirmte und den schwarzen Himmel nach einem einzigen Stern absuchte. Er sah keinen. Nur das weiße Gleißen der kraterübersäten Oberfläche und das Licht der unbedeutenden Sichel der Erde drangen durch das goldgetönte Visier.
    Ackroyd parkte hinter einem Polizeiauto, dann gesellten sich die beiden Männer zu der Menge, die zur Turnhalle der High School strömte. Baedecker erkannte den Holzund Lackgeruch der Halle sofort. Er hatte mit Basketbällen gedribbelt, wo heute Stühle in Reihen standen. Das Podium, das er betrat, war Bühne der Aufführung eines Schauspiels in der sechsten Klasse gewesen. Er hatte die Rolle des Waisen Billy gespielt, der sich im letzten Akt als wiedergekehrter Christus entpuppte, welcher gekommen war, die Barmherzigkeit einer Familie auf die Probe zu stellen. Baedeckers Vater hatte von Camp Pendleton geschrieben, daß das die kolossalste Fehlbesetzung in der Geschichte des Theaters gewesen sei.
    Er setzte sich mit Ackroyd auf graue Metallstühle, während Bürgermeisterin Seaton die Menge um Ruhe bat. Baedecker schätzte, daß etwa dreibis vierhundert Menschen auf Klappstühlen und Holzbänken saßen. Weitere Zuschauer standen unter den offenen Türen weiter hinten. Die Musik der Karussells wurde vernehmbar in der schwülen Luft herübergetragen.
    »... vom Apollo-Programm. Unser Reisender zum Mond. Einer von Amerikas wahren Helden und Sohn von Glen Oak ... Richard M. Baedecker!«
    Applaus erhob sich in der Sporthalle und übertönte vorübergehend sogar die Jahrmarktsmusik. Als Baedecker aufstand, versetzte Bill Ackroyd ihm einen Schlag auf den Rücken, bei dem er fast in die Knie ging. Er erholte sich wieder, schüttelte der Bürgermeisterin die Hand und drehte sich zu der Menge um.
    »Danke, Bürgermeisterin Seaton und Mitglieder des Stadtrats. Es freut mich, daß ich heute abend hier in Glen Oak sein darf.« Es folgte eine erneute Runde Applaus, und in den wenigen Sekunden, bevor er weitersprach, stellte Baedecker fest, daß er ziemlich betrunken war. Er hatte keine Ahnung, was er als nächstes sagen sollte.
    Baedecker hatte gelernt, seine Angst vor einem großen Publikum zu vertreiben, indem er einfach leicht schielte, während er sprach. Menschenmengen waren längst nicht so einschüchternd, wenn sie zu einem bunten Meer von Gesichtern verschwammen. Aber heute abend machte er das nicht. Baedecker sah die Menge ernst an. Er erblickte Stinky Serrell in der zweiten Reihe, die ihm mit unmerklichen Bewegungen der Hand unter dem Kinn zuwinkte. Ihr Mann, der noch das Softballtrikot trug, döste auf dem Stuhl neben ihr. Phil Dixon und seine Familie saßen drei Reihen weiter hinten. Jackie Ackroyd saß in der ersten Reihe am Mittelgang. Neben ihr kniete Terry auf seinem Stuhl, wandte Baedecker den Rücken zu und unterhielt sich lautstark mit einem älteren Jungen. Carl Foster oder Galen konnte er nicht sehen, spürte aber, daß sie anwesend waren. In den Sekunden der Stille, nachdem der Applaus abgeklungen war, verspürte Baedecker eine plötzliche Aufwallung von Zuneigung für alle in der Menge.
    »Die Erforschung des Weltraums hat sich für Wissenschaftler hinsichtlich reinen Wissens ausgezahlt, und für die Ingenieure wegen der technologischen Herausforderung, die sie darstellte«, hörte Baedecker sich sagen, »aber viele Menschen wissen gar nicht, wie ungeheuer lohnend sie für den durchschnittlichen Amerikaner im Hinblick auf Nebenprodukte war, die unser aller Lebensqualität verbessert haben.« Baedecker entspannte sich beim Sprechen. Er hatte die fünfmonatige Werberundreise der NASA nach dem Mondflug nur hinter sich gebracht, indem er sich ein halbes Dutzend Reden eingeprägt hatte. Was er jetzt von sich gab wenn auch zugegebenermaßen von ihm auf den neuesten Stand gebracht , war die von der NASA geschriebene Ansprache, die er immer als seine Teflon-Rede betrachtete.
    »... nicht nur diese wunderbaren Materialien und Legierungen, nein, als Folge der von der NASA gesponserten Fortschritte auf dem Gebiet der Elektronik können wir uns der Vorzüge von Dingen wie Taschenrechnern, Heimcomputern und

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