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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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starten sehen.«
    »Ein Sandhügel oder eine Klippe über dem Meer sind eines«, sagte Gavin. »Der Gipfel von Uncompahgre ist wieder etwas anderes. Du hast ihn noch nicht gesehen, Dick. Warte, bis du morgen von der Schlucht aus einen Blick darauf werfen kannst. Uncompahgre ist eine große Hochzeitstorte von einem Berg, Simse und Grate erstrekken sich in fast jede Richtung.«
    »Klingt nicht nach guten Aufwinden«, sagte Baedekker.
    »Es wäre ein Alptraum außerdem herrscht in viertausendzweihundert Metern Höhe immer starker Wind. Die Hochebene liegt neunhundert Meter tiefer, und selbst die ist mehr als dreitausend Meter hoch und die Ebene besteht fast nur aus Felsen und Findlingen. Es wäre Wahnsinn, dort zu fliegen.«
    »Warum tun sie es dann?« fragte Maggie. Baedecker bemerkte, wie grün ihre Augen im Schein des Feuers waren.
    »Habt ihr den Arm dieses Burschen Lude gesehen?« fragte Gavin.
    Maggie und Baedecker sahen einander an und schüttelten den Kopf.
    »Nadelspuren«, sagte Gavin. »Er ist auf etwas Hartem.«
    Vom anderen Lagerfeuer auf der gegenüberliegenden Seite der Wiese ertönte plötzlich Gelächter und laute Musik vom Band. »Ich hoffe, Tommy kommt bald wieder rüber«, sagte Deedee.
    »Erzählen wir Gespenstergeschichten am Lagerfeuer«, schlug Maggie vor.
    Gavin schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er. »Nichts Übernatürliches oder Dämonisches.«
    »Was würdet ihr sagen, sollen wir Fahrtenlieder singen?«
    »Toll«, sagte Maggie und lächelte Baedecker zu.
    Gavin und Deedee stimmten ›Kum Ba Yah‹ an, während von der anderen Seite der Wiese Gelächter und Billy Idol vom Band ertönten, der ›Eyes Without a Face‹ sang.
     
    Am Donnerstagabend saß Baedecker im Wohnzimmer der Gavins und plante den Wochenendausflug mit ihnen, als es an der Tür läutete. Gavin hatte sich entschuldigt und war hingegangen, und Baedecker hörte Deedee zu, die vom Problem mit Tommy und seiner Freundin berichtete, als eine Stimme sagte: »Hallo, Richard.«
    Baedecker sah auf und erstarrte. Es war unmöglich, daß Maggie Brown da im Wohnzimmer von Tom Gavin stand, aber sie war da und trug das weiße Baumwollkleid, das sie bei der gemeinsamen Besichtigung des Taj Mahal angehabt hatte. Ihr Haar war kürzer, von der Sonne ausgebleicht, aber das braune, sommersprossige Gesicht war dasselbe, und die grünen Augen waren dieselben. Selbst die kleine, irgendwie niedliche Lücke zwischen den Vorderzähnen bescheinigte die Tatsache, daß es sich tatsächlich um Maggie Brown handelte. Baedekker starrte sie an.
    Gavin sagte: »Die Dame fragte, ob sie zum richtigen Haus gekommen wäre, um den berühmten Astronauten Richard E. Baedecker zu finden. Ich sagte: Aber logo.«
    Später, als Tom und Deedee fernsahen, machten Baedecker und Maggie einen Spaziergang zur Pearl Street Mall. Baedecker war schon einmal in Boulder gewesen ein fünftägiger Besuch im Jahr 1969, als ihr aus acht Astronautenanwärtern bestehendes Team dort Geologie studiert und das Fiske-Planetarium der Universität für Astrogationsübungen benutzt hatte -, und damals hatte die Mall noch nicht existiert. Pearl Street, im Herzen des alten Boulder, war nur eine von vielen staubigen, dichtbefahrenen Straßen des Westens gewesen, bevölkert mit Drugstores, Discount-Textilgeschäften und Restaurants.
    Jetzt war sie in eine vier Block umfassende Einkaufspassage für Fußgänger im Schatten von Bäumen umgewandelt, mit hübsch angelegten Blumenbeeten und teuren Geschäften, wo das billigste, das man kaufen konnte, eine Kugel Haagen Dazs-Eis mit Waffel für einen Dollar fünfzig war. In den beiden Blocks, die Baedecker und Maggie schon hinter sich gelassen hatten, hatten sie schon fünf Straßenmusikanten passiert, eine singende Gruppe Hare Krishnas, eine Gruppe von vier Jongleuren, einen Seiltänzer, der sein Seil zwischen zwei Kiosken gespannt hatte, und einen vergeistigten jungen Mann, der lediglich ein Gewand aus Sackleinen und eine goldene Pyramide auf dem Kopf trug.
    »Warum sind Sie gekommen?« fragte Baedecker. Maggie sah zu ihm auf, und Baedecker verspürte ein seltsames Gefühl, als hätte plötzlich eine kalte Hand seinen Nacken gepackt. »Sie haben mich angerufen«, sagte sie.
    Baedecker blieb stehen. In der Nähe spielte ein junger Mann mit mehr Begeisterung als Geschick Violine. Der Geigenkasten lag offen auf dem Boden, zwei Dollarscheine und drei Vierteldollarmünzen lagen darin. »Ich habe Sie angerufen, weil ich wissen wollte, wie es Ihnen geht«,

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