In der Schwebe
sagte Baedecker. »Wie es Scott ging, als Sie ihn zum letzten Mal gesehen haben. Ich wollte mich nur vergewissern, daß Sie wohlbehalten aus Indien zurückgekommen sind. Als das Mädchen im Wohnheim sagte, daß Sie noch Ihre Eltern besuchen würden, habe ich beschlossen, keine Nachricht zu hinterlassen. Woher wußten Sie, daß ich es war? Und wie, um alles in der Welt, haben Sie mich gefunden?«
Maggie lächelte, und da funkelte eine Spur Schalkhaftigkeit in ihren grünen Augen. »Das ist kein Geheimnis, Richard. Erstens, ich wußte eben, daß Sie es waren. Zweitens, ich habe Ihre Firma in St. Louis angerufen. Die sagten mir, Sie hätten gekündigt und seien weggezogen, aber niemand schien zu wissen, wohin Sie gegangen waren, bis ich mich mit Teresa in Mr. Prescotts Vorzimmer unterhielt. Sie fand die Adresse für Notfälle, die Sie hinterlassen hatten. Ich hatte das Wochenende frei. Hier bin ich.«
Baedecker blinzelte. »Warum?«
Maggie setzte sich auf eine flache Rotholzbank, Baedecker nahm neben ihr Platz. Eine Brise raschelte mit den Blättern über ihnen und bewirkte, daß Lampenlicht und Schatten über sie hinweg tanzten. Einen halben Block entfernt wurde Beifall laut, als der Seiltänzer etwas Interessantes machte. »Ich wollte wissen, wie Ihre Suche voranschreitet«, sagte sie.
Baedecker starrte sie verständnislos an. »Was für eine Suche?« fragte er.
Als Antwort machte Maggie die beiden obersten Knöpfe ihres weißen Kleids auf. Sie hob die Halskette ins spärliche Licht, und Baedecker brauchte eine Weile, bis er das Sankt-Christophorus-Medaillon erkannte, das er ihr in Poona geschenkt hatte. Es war das Medaillon, das sein Vater ihm 1952 gegeben hatte, an dem Tag, als er zum Marine-Korps eingezogen worden war. Es war das Medaillon, das er mit zum Mond und wieder zurück gebracht hatte. Baedecker schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er, »Sie haben nicht verstanden.«
»Doch«, sagte Maggie.
»Nein«, sagte Baedecker. »Sie haben zugegeben, daß es ein Fehler war, Scott nach Indien zu folgen. Jetzt machen Sie einen noch größeren Fehler.«
»Ich bin Scott nicht nach Indien gefolgt«, sagte Maggie.
»Ich bin nach Indien geflogen, um zu sehen, wie es ihm geht, weil ich der Meinung war, es würde ihn leidenschaftlich interessieren, Fragen zu stellen, die ich für wichtig halte.« Sie machte eine Pause. »Ich habe mich geirrt. Er interessierte sich nicht dafür, Fragen zu stellen, nur dafür, Antworten zu bekommen.«
»Wo ist der Unterschied?« fragte Baedecker. Er spürte, wie ihm die Unterhaltung entglitt, wie sie aus seiner Kontrolle stürzte wie ein Flugzeug, das durchsackt.
»Der Unterschied ist, daß Scott den Weg des geringsten Widerstands gegangen ist«, sagte Maggie. »Wie die meisten Menschen, fand er es zu unbequem, sich frei zu geben ohne den Schutz einer Autorität. Als die Fragen zu schwer wurden, begnügte er sich eben mit einfachen Antworten.«
Baedecker schüttelte wieder den Kopf. »Das ist Quatsch«, sagte er. »Sie haben alles durcheinandergebracht. Sie haben mich mit jemandem verwechselt, Maggie. Ich bin nur ein Mann in mittleren Jahren, der seinen Job satt hat und dem es einfach so gut geht, daß er sich ein paar Monate unbezahlten Urlaub leisten kann.«
»Dummes Zeug«, sagte Maggie. »Erinnern Sie sich an unser Gespräch in Benares? Über Orte der Macht?«
Baedecker lachte. »Richtig«, sagte er. Er deutete auf zwei junge Männer in zerrissenen Shorts, die gerade mit ihren Skateboards durch die Menge geflitzt kamen. Hinter ihnen folgte ein Läufer in hautengen Hosen, dem man den Stolz auf seinen Körper so deutlich ansah wie den Schweiß, der auf seiner braunen Haut glitzerte. Eine Gruppe mürrischer Teenager mit purpurnen Irokesenschnitten wichen ihm aus. »Ich komme näher, richtig?« sagte er.
Maggie zuckte die Achseln. »Vielleicht dieses Wochenende«, sagte sie. »Berge sind schon immer ziemlich zuverlässige Orte der Macht gewesen.«
»Und wenn ich nicht mit Steintafeln von diesem ... wie heißt er noch ... diesem Uncompahgre herabsteige, dann kehren Sie am Montag nach Boston zurück und setzen Ihr Studium fort, einverstanden?« fragte Baedecker.
»Wir werden sehen«, sagte Maggie.
»Hören Sie, Maggie, ich glaube, wir müssen ...«, begann Baedecker.
»He, sehen Sie mal, der Typ sitzt auf einem Stuhl auf seinem Seil«, sagte sie. »Sieht so aus, als würde er Zauberkunststücke vorführen. Kommen Sie, sehen wir zu.« Sie zog Baedecker auf die Füße. »Und
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