In der Schwebe
glitt über den Kapitän, dann sah er noch einmal hin. Der große Mann kam ihm bekannt vor auch wenn Baedecker sich sagte, daß bestimmt eine Menge russischer Piloten solche markanten Kiefer und buschigen Augenbrauen hatten. Dennoch fragte er sich, ob er ihn während der drei Tage kennengelernt hatte, die er mit der Besatzung des Apollo-Sojus-Testprojekts in Moskau und dem sowjetischen >Sternenstädtchen< verbracht hatte. Er zuckte die Achseln. War auch nicht wichtig.
»Wie geht es Scott?« fragte er.
Maggie Brown sah auf, und ein leicht verschlossener Ausdruck schien sich wie ein feiner Schleier über ihr Gesicht zu legen. »Prima. Er sagt, er habe sich in seinem Leben noch nie so gut gefühlt, aber ich glaube, er hat etwas abgenommen.«
Baedecker sah seinen untersetzten Sohn mit Bürstenschnitt und T-Shirt vor sich, wie er Shortstop in der Jugendliga von Houston spielen wollte, aber zu langsam und nur für das rechte Feld geeignet war. »Was macht sein Asthma? Hat es in der hohen Luftfeuchtigkeit wieder angefangen?«
»Nein, das Asthma ist geheilt«, sagte Maggie gelassen.
»Laut Scott hat es der Meister geheilt.«
Baedecker blinzelte. Selbst in den letzten Jahren hatte er in seinem einsamen Apartment dem Husten und keuchenden Atmen gelauscht. Er erinnerte sich an die Zeiten, als er den Jungen die ganze Nacht hindurch wie einen Säugling gehalten und gewiegt hatte, während sie beide ängstlich dem Röcheln in seiner Lunge lauschten.
»Sind Sie Anhängerin dieses ... des Meisters?«
Maggie lachte, und der Schleier schien von ihren grünen Augen zu verschwinden. »Nein. In diesem Fall wäre ich nicht hier. Sie erlauben ihnen nicht, den Ashram für mehr als ein paar Stunden zu verlassen.«
»Hmmm«, sagte Baedecker und sah auf die Uhr. Neunzig Minuten, bis sein Flug nach Bombay startete.
»Er wird Verspätung haben«, sagte Maggie.
»Oh?« Baedecker war nicht sicher, wovon sie sprach.
»Ihr Flug. Er wird Verspätung haben. Was haben Sie bis Dienstag vor?«
Darüber hatte Baedecker nicht nachgedacht. Es war Donnerstag morgen. Er hatte vorgehabt, noch am Nachmittag in Bombay zu sein, am Freitag die Leute von der Elektronikfirma und deren Bodenstation zu besuchen, mit dem Zug nach Poona zu fahren, Scott über das Wochenende zu besuchen und am Montag nachmittag von Bombay aus nach Hause zu fliegen.
»Ich bin nicht sicher«, sagte er »Ich nehme an, ein paar Tage in Bombay bleiben. Was war so wichtig an dieser Klausur, daß Scott sich nicht freinehmen konnte?«
»Nichts«, sagte Maggie Brown. Sie trank den Rest Tee leer und stellte die Tasse mit einer brüsken Bewegung ab, in der ein Anflug von Zorn lag. »Dasselbe wie immer. Vorträge des Meisters. Meditationssitzungen. Tänze.«
»Tänze?«
»Nun, keine richtigen. Sie spielen Musik. Der Rhythmus wird schneller. Immer schneller. Sie bewegen sich dazu. Immer schneller. Schließlich brechen sie vor Erschöpfung zusammen. Reinigt die Seele. Das ist Teil des Tantra-Yoga.«
Baedecker konnte ihr Schweigen hören. Er hatte einiges über diesen ehemaligen Philosophieprofessor gelesen, der zum neuesten Guru so vieler reicher Kinder aus vielen wohlhabenden Nationen geworden war. Laut Time waren die indischen Behörden schockiert gewesen, als sie Berichte über Gruppensex in seinen Ashrams gehört hatten. Baedecker war schockiert gewesen, als Joan ihn davon in Kenntnis setzte, daß Scott die Universität in Boston verlassen hatte und dann um die halbe Welt gereist war. Auf der Suche wonach?
»Sie scheinen es nicht zu billigen«, sagte er zu Maggie Brown.
Das Mädchen zuckte die Achseln. Dann leuchteten ihre Augen. »He, ich hab' eine Idee! Warum verbringen Sie nicht etwas Zeit mit mir, um die Sehenswürdigkeiten anzuschauen? Ich versuche, seit ich im März hierher gekommen bin, Scott dazu zu überreden, sich auch einmal etwas anderes als den Ashram in Poona anzusehen. Kommen Sie mit mir! Wird bestimmt lustig. Sie bekommen das Visum von Air India praktisch umsonst.«
Baedecker, der immer noch an die Gerüchte über Gruppensex denken mußte, war einen Moment fassungslos. Dann sah er den kindlichen Eifer in Maggies Gesicht und wies sich selbst zurecht, daß er ein so lüsterner alter Mann war. Das Mädchen war einsam.
»Wohin gehen Sie?« fragte er. Er brauchte einen Augenblick, um eine höfliche Ablehnung zu formulieren.
»Ich verlasse Delhi morgen«, sagte sie strahlend. »Ich fliege nach Varanasi, dann nach Khajuraho, ein kurzer Aufenthalt in Kalkutta, dann
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