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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Lonerock International Airport«, sagte Dave, als er den letzten Aus-Schalter betätigte.
    »Bitte bleiben sie sitzen, bis die Maschine an der Schalterhalle zum Stillstand kommt.« Die Rotoren drehten sich langsamer und blieben dann stehen.
    »Hat jede Geisterstadt einen Flughafen?« fragte Baedecker. Er nahm Kopfhörer und Mütze ab, strich mit den Fingern durch sein schütteres Haar und schüttelte den Kopf. Er konnte immer noch das Dröhnen der Turbine in den Ohren hören.
    »Nur wenn die Geister Flieger sind«, sagte Dave.
    Ein Mann kam ihnen langsam aus der Scheune entgegen. Er war jünger als Muldorff oder Baedecker, aber sein Gesicht war dunkel und von jahrelanger Arbeit in der Sonne gezeichnet. Er trug Cowboystiefel, verblichene Jeans, eine schwarze Mütze und einen türkisgeschmückten Indianergürtel. Der linke Ärmel seines karierten Hemds war an der Schulter zugenäht. »Hallo, Dave«, rief er. »Hab' mich schon gefragt, ob Sie dieses Wochenende herkommen würden.«
    »Abend, Kink«, sagte Dave. »Kink, das ist Richard Baedecker, ein alter Freund.«
    »Kink«, sagte Baedecker, als sie sich die Hand schüttelten. Ihm gefielen die zurückhaltende Kraft im Händedruck des Mannes und die Lachfältchen um seine blauen Augen.
    »Kink Weltner hier hat drei Runden als Helikopterpilot in Vietnam gedient«, sagte Dave. »Er läßt mich den Vogel ab und zu hier parken. Irgendwie kam er in den Besitz eines großen, unterirdischen Tanks voll Flugzeugtreibstoff.«
    Der Rancher kam herüber und strich mit der Hand zärtlich über die Hülle des Huey. »Ich kann nicht glauben, daß dieser rostige Scheißhaufen immer noch fliegt. Hat Chico das Omniventil ersetzt?«.
    »Ja«, sagte Dave, »aber Sie sollten sich mal im Inneren umsehen.«
    »Ich öffne das Tor zur Hölle, wenn ich ihn auftanke«, sagte Kink.
     
    »Bis später«, sagte Dave und ging voraus zur Scheune. Hier im Tal war es kühl. Baedecker trug die Jacke in einer und die Fliegertasche in der anderen Hand. Er sah auf zu den Hügeln im Osten, die die letzten Strahlen der Abendsonne einfingen. Trockene Pappelblätter zeichneten sich vor dem blauen Himmel ab. In der Nähe der Scheune parkte ein Jeep, dessen Schlüssel im Schloß steckte, und Dave warf seine Sachen ins Heck und stieg ein. Baedecker gesellte sich zu ihm und hielt sich am Überrollbügel fest, als Dave mit Vollgas auf die Schotterstraße fuhr.
    »Es ist schön, wenn man seinen eigenen Wartungstrupp so weit draußen hat«, sagte Baedecker. »Hast du ihn in Vietnam kennengelernt?«
    »Nee. Erst als Di und ich das Haus hier gekauft hatten, 1976.«
    »Hat er den Arm im Krieg verloren?
    Dave schüttelte den Kopf. »Da drüben ist ihm kein Haar gekrümmt worden. Drei Monate nach seiner Entlassung hat er sich betrunken und seinen Pritschenwagen in den Straßengraben gesetzt.«
    Sie fuhren an der zerklüfteten Felsnadel und der geschlossenen Kirche vorbei nach Lonerock. Auf der anderen Seite des Tals war die Straße, der sie von Condon gefolgt waren, eine weiße Linie an der schattigen Felswand. Baedecker bemerkte mehrere leerstehende Häuser inmitten von Unkraut abseits der Straße, erhaschte einen kurzen Blick auf die alte Schule zwischen den Bäumen, und dann hielt Dave vor einem weißen Haus mit Blechdach und einem weißen Lattenzaun. Der Rasen war gepflegt, an einer Seite befand sich eine Natursteinveranda, und vor dem Haus hing ein Kolibrifutternapf an einem Fliederbaum. »Casa Muldorff«, verkündete Dave und nahm Baedeckers Fliegertasche aus dem Jeep.
    Das Gästezimmer befand sich im ersten Stock, unter dem Giebel. Baedecker konnte sich das Prasseln bei Regen auf dem Blechdach über sich vorstellen. Er konnte das Ausmaß an Arbeit abschätzen, das in das alte Bauwerk gesteckt worden sein mußte. Dave und Diane hatten Wände herausgerissen, Böden verstärkt, einen Kamin im Wohnzimmer und einen Herd in der Küche angebaut, die Fundamente repariert, neue Stromkabel und Wasserleitungen verlegt, die Küche umgebaut und aus dem flachen Speicher einen kleinen aber gemütlichen ersten Stock gemacht. »Davon abgesehen«, hatte Dave gesagt, »ist das Haus noch weitgehend so, wie wir es gefunden haben.« In den Tagen, als der ›Oregon Trail‹ noch jedermann im Gedächtnis gewesen war, hatte das Haus als Postamt gedient, dann als Büro des Sheriffs, und eine Zeitlang sogar als Leichenhalle, bis es mit dem Rest der kleinen Stadt Schritt für Schritt verfiel. Jetzt hatte das Gästezimmer saubere weiße Wände,

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