Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
keinen Fernseher mehr, seit die Bildröhre den Geist aufgegeben hat. Das war an einem Sonntag. In der Mitte von Omnibus. Wir besaßen einen Sylvania Halolite. Das Halo funktionierte noch, nachdem der Bildschirn dunkel geworden war. Es war eigentlich ziemlich friedlich.«
    »Die Mondlandungen standen in allen Zeitungen«, sagte Baedecker. »Erinnern Sie sich noch an den Sommer 1969? Neil Armstrong? Ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein gigantischer Sprung für die Menschheit?«
    »Ja, ja«, kicherte die Dame. »Sagen Sie mir, Mr. Baedecker, hört sich das nach etwas an, das jemandem einfach so spontan einfällt? Oder zu so einem Anlaß sagt? Gewiß nicht. Es hört sich genau nach dem an, was es ist, eine schlecht geschriebene Schmierenkomödie.«
    Baedecker wollte etwas sagen, sah Dave an und klappte den Mund zu.
    »David, wie geht es der lieben Diane?« fragte Miz Callahan.
    »Prächtig«, sagte Dave. »Ich war dabei, als sie die Ultraschalluntersuchung gemacht haben.«
    »Auch eine Fruchtwasseruntersuchung? fragte die alte Dame.
    »Nein, nur Ultraschall.«
    »Das war klug«, sagte Miz Callahan. »Diane ist jung, es besteht keine Veranlassung, das eine Prozent Risiko einer Fehlgeburt einzugehen, wenn es nicht erforderlich ist. Wann war nochmal der Termin?«
    »Der Arzt sagt, am siebten Januar«, sagte Dave. »Di glaubt, daß es später wird. Ich tippe auf etwas früher.«
    »Das erste Baby kommt wahrscheinlich später, wenn überhaupt«, sagte Miz Callahan.
    Baedecker räusperte sich. »Ah, was hatten Sie über magnetische Kraftlinien gesagt?«
    Miz Callahan tätschelte ihren Hund, stand auf und schritt vorsichtig zum Tisch. Sie sah zum Himmel, betrachtete die Karten, nickte zufrieden und kehrte zu ihrem Sessel zurück. »Ja, eigentlich elektromagnetische Linien«, sagte sie. »Ich habe es nie genau verstanden, aber Mr. Callahan schrieb alles auf, als er zum ersten Mal Kontakt hergestellt hatte. Eines Tages können Sie sich alles ansehen, wenn Sie möchten. Wie dem auch sei, Mr. Callahan bestätigte, daß sie korrekt seien und dies die beste Stelle in den Vereinigten Staaten in ganz Nordamerika wäre, daher zogen wir hierher. Mr. Callahan verstarb 1964, aber da sie zu mir nicht sprechen wie zu ihm, muß ich mich auf seine frühen Berechnungen verlassen. Würden Sie das nicht auch sagen?«
    »Ich denke, ja«, sagte Baedecker.
    »Mr. Callahan war zweifellos korrekt, was den Ort betrifft«, fuhr die alte Dame fort, »aber er war sich nie sicher hinsichtlich der Zeit. Sie ließen sich einfach nicht auf einen Zeitpunkt festlegen. Ich habe sie schon hunderte Male oben vorbeifliegen sehen, aber heruntergekommen sind sie bisher noch nicht. Nun, ich muß Ihnen sagen, sie sollten sich besser beeilen. Ich werde nicht jünger, und manchmal kostet es mich alle Anstrengung, diese alten Knochen die Treppe heraufzuschleppen. Heute Nacht ist keine gute Nacht, sie zu beobachten, weil der Vollmond bald aufgehen wird, und ... oh, herrje, sehen Sie!«
    Baedecker folgte dem schattenhaften Umriß ihres Arms zu einem Punkt am Zenit, wo ein Satellit oder ein außerordentlich hoch fliegendes Flugzeug kurz aufleuchtete, als es von Westen nach Osten flog. Die drei beobachteten es, bis es mit dem Sternenhintergrund verschmolz, danach saßen sie mehrere Minuten in behaglichem Schweigen und Dunkelheit.
    »Noch jemand Limonade?« fragte Dave schließlich.
     
    Nachdem Daves Mutter 1956 an einem Schlaganfall gestorben war, zog Baedeckers Vater von dem Haus in Chicago in ihre ›Blockhütte‹ in Arkansas. Baedeckers Eltern hatten das Land bei einem Preisausschreiben des Herold Tribune gewonnen und fast fünf Jahre an dem Haus gearbeitet, hatten, wenn möglich, den Sommer dort verbracht und waren manchmal zu Weihnachten hingefahren. Baedeckers Vater war 1952 vom Marine-Korps in den Ruhestand versetzt worden, in dem Jahr, als sein Sohn angefangen hatte, F-86 Sabres in Korea zu fliegen, und seither hatte er einen Halbtagsjob bei Wilson's Sporting Goods inne. Sie hatten vorgehabt, sich im Juni 1957 endgültig dorthin in den gemeinsamen Ruhestand zurückzuziehen. Statt dessen war Baedeckers Vater im November 1956 allein hingezogen.
    Baedecker konnte sich noch sehr deutlich an zwei Ausflüge erinnern: der erste im Oktober 1957, zwei Monate bevor sein Vater an Lungenkrebs gestorben war, und der zweite mit Scott im heißen Watergate-Sommer des Jahres 1974.
    Scott war in jenem Jahr zehn geworden, befand sich aber bereits in der Wachstumsphase, die

Weitere Kostenlose Bücher