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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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als wir während der letzten Exkursion acht Minuten Liveübertragung hinter uns bringen mußten? Da hatte ich darüber nachgedacht. Dave Scott hatte dieses GalileiExperiment mit dem Hammer und der Falkenfeder gemacht, erinnerst du dich? Es war schwer, mit etwas Besserem nachzukommen, daher dachte ich mir, ich sage einfach etwas wie: ›Nun, liebe Zuschauer, hier oben wissen wir nur ziemlich wenig über die Auswirkungen von explosionsartiger Dekompression auf Regierungsangestellte im völligen Vakuum. Also los.‹ Und dann wollte ich das Urinkollektorventil an meinem Druckanzug aufmachen und daraus hervorquellen wie Zahnpasta aus einer Tube Colgate, wenn man drauftritt direkt in der besten Sendezeit, live über drei Sender des amerikanischen Fernsehens.«
    »Ich bin froh, daß du das nicht getan hast«, sagte Baedecker.
    »Ja«, sagte Dave und fuhr eine Minute in nachdenklichem Schweigen weiter. »Ich hatte beschlossen, wenn uns nichts anderes einfallen würde, die acht Minuten zu überbrücken, würde ich so ziemlich dasselbe aufsagen und dann dein Ventil aufmachen.«
    »Scott?«
    »Dad, bist du das?«
    »Ja«, sagt Baedecker. »Mein Gott, es ist schwer, dich zu erwischen. Ich habe fünfmal angerufen, mußte in der Leitung bleiben und wurde dann einfach unterbrochen. Wie geht es dir, Scott?«
    »Mir geht es gut, Dad«, sagt Scott. »Wo bist du?«
    »Im Augenblick bin ich auf dem Luftwaffenstützpunkt McChord in Tacoma«, sagt Baedecker, »aber ich halte mich ein paar Tage in Salem auf. Scott, Dave Muldorff ist letzte Woche getötet worden.«
    »Dave?« sagt Scott. »Oh, Scheiße, Dad, das tut mir echt leid. Was ist passiert?«
    »Flugzeugabsturz«, sagt Baedecker. »Hör mal, deshalb habe ich aber nicht angerufen. Ich habe gehört, daß du krank warst, sogar eine Weile im Krankenhaus. Wie geht es dir jetzt?«
    »Mir geht es gut, Dad«, sagt Scott, aber Baedecker kann sein Zögern hören. »Noch ein bißchen müde. Hör mal, Dad, woher weißt du, daß ich hier bin?«
    »Maggie Brown hat es mir gesagt«, sagt Baedecker.
    »Maggie? Ach, ja. Wahrscheinlich hat Bruce mit ihr gesprochen. Dad, das mit deinem Besuch letzten Sommer in Poona tut mir leid.«
    Das Münztelefon rasselt, und einen Augenblick kann Baedecker nichts hören. »Scott?«
    »Ja, Dad.«
    »Was ist los? Ist dein Asthma wieder schlimmer geworden?«
    Mehrere Sekunden vergehen schweigend. »Ja. Ich dachte, der Meister hätte es letzten Sommer geheilt, aber ich hatte nachts einige Probleme. Das, und ein paar andere Sachen, die ich mir in Indien geholt habe.«
    »Hast du deine Medikamente und den Inhalator?« fragt Baedecker.
    »Nein, das habe ich letztes Jahr alles in der Schule gelassen.«
    »Warst du bei einem Arzt?«
    »Gewissermaßen«, sagt Scott. »He, Dad, bist du nur wegen Dave hier, oder was?«
    »Im Augenblick«, sagt Baedecker. »Ich habe gekündigt...«
    »Bitte werfen Sie fünfundsiebzig Cent für die letzten beiden Minuten ein«, sagt eine mechanische Stimme.
    Baedecker kramt nach Kleingeld und wirft die Vierteldollarstücke nach. »Scott?«
    »Was hast du gesagt, Dad?«
    »Ich sagte, ich habe letzten Sommer gekündigt. Seither reise ich herum.«
    »Himmel«, sagt Scott. »Du arbeitest nicht? Wo bist du gewesen?«
    »Hier und da«, sagt Baedecker. »Thanksgiving habe ich in Arkansas verbracht und an Dads Blockhütte gearbeitet. Hör zu, Scott, ich werde morgen in dieser Gegend sein, und ich möchte gerne vorbeikommen und mit dir reden.«
    Ein Zischen von Interferenz und gedämpftes Murmeln von Stimmen ertönen in der Leitung.
    »Was, Scott?«
    »Ich sagte ... ich sagte, ich weiß nicht, Dad.«
    »Warum nicht?«
    »Nun, es hat einigen Ärger hier im Ashram gegeben...«
    »Was für Ärger?«
    »Nicht gerade hier«, sagt Scott hastig. »Aber in der Gegend. Einige der Rancher und Einheimischen sind aus dem Häuschen. Es wurden ein paar Schüsse abgefeuert. Der Meister überlegt, ob er das Gelände für Außenstehende sperren soll.« Man hört eine andere Stimme, die mit Scott spricht. »Äh, Dad, ich muß jetzt Schluß machen...«
    »Einen Augenblick noch, Scott«, sagt Baedecker. Er spürt eine unerklärliche Panik in sich aufsteigen. »Hör zu, ich werde morgen vorbeischauen. Scott, ich könnte Hilfe beim Ausbau der Blockhütte brauchen. Es wäre sehr schön dort, wenn ich bis Frühling fertig wäre. Würdest du darüber nachdenken, ob du dir ein paar Wochen frei nimmst und mit mir daran arbeitest?«
    »Dad, ich kann nicht...«
    »Denk nur darüber

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