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In der Stille der Nacht - Thriller

In der Stille der Nacht - Thriller

Titel: In der Stille der Nacht - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Mina
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Ladenbesitzer sie sehen konnte, nah genug bei sich selbst, um Ladendieben auf die langen Finger zu schlagen. Der Tresen reichte bis zur Mitte des Ladens, war also nicht sehr lang. Dahinter befanden sich Zigaretten, billige alkoholische Getränke und Kaffee außerhalb der Reichweite der Kunden.
    Zwanzig Jahre Kleingeld hatten den weißen Kunststoffbelag auf dem Tresen schartig gemacht, so dass die braune Spanholzplatte darunter durchschimmerte. Dahinter standen zwei hohe Hocker, einander zugewandt, als hätte das Musikerduo gerade erst die Bühne verlassen. Auf einem der niedrigen Regale sah sie ein kleines silberfarbenes Kurzwellenradio. Von hier aus hatte man einen bequemen Ausblick auf die Welt.
    Der Laden wurde von einem Mann gehütet, der für seinen Bart und sein altmodisches Gebaren viel zu jung war, beides wirkte aufgesetzt. Er sah sie erwartungsvoll an, sagte aber nichts.
    »Hallo, sind Sie Mr Anwars Cousin?«
    »Ja«, sagte er mit schwerem Akzent, nickte träge mit dem Kopf.
    »DS Morrow.« Sie streckte ihm die Hand entgegen. »Ich bin eine der Polizeibeamten, die im Fall der Entführung Ihres Cousins ermitteln.«
    Er schlug nicht ein. »Ja«, sagte er wieder und versuchte, wie sie glaubte, die Worte, die sie gesagt hatte, einzeln zu verarbeiten.
    »Das ist DS Bannerman.« Sie wies mit einer Geste auf ihn. »Wie heißen Sie?«

    »Ahmed Johany.« Als er ihre Verwirrung bemerkte, setzte er freundlich hinzu: »John.«
    »John?« Sie lachte.
    »Sie sagen zu mir John.« Aber jetzt lächelte er nicht, zumindest seine Augen lächelten nicht, sie wirkten traurig, als würde er um Ahmed Johany trauern und wünschte, dass für diesen auch noch Platz in dem Laden sei.
    Bannerman beugte sich über ihre Schulter. »Mr Johany?« Er zeigte oben in eine Ecke hinter dem Tresen und sie alle sahen hoch. Eine Videokamera, ein kleines rotes Lämpchen leuchtete daneben auf. »Ist das …?«
    »Kamera, ja.«
    »Bewahren Sie die Bänder auf?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nur eine oder zwei Wochen lang …«
    »Dann …?«
    »Wird überspielt.« Er lächelte entschuldigend, schob einen Unterarm über den anderen. »Bänder sparen.«
    »Können wir die Bänder von letzter Woche bekommen?«
    Er bedeutete ihnen, sie könnten sie haben, jedoch habe er Bedenken, sie alleine im Laden zu lassen und ins Hinterzimmer zu gehen. Bannerman zog seinen Dienstausweis hervor und zeigte ihn Ahmed, doch dieser schüttelte den Kopf, verlegen, weil er an ihrer Ehrlichkeit gezweifelt hatte. Er eilte davon, sah sich noch ein paarmal um, während er zu einer Tür im hinteren Teil des Ladens ging. Kaum zwanzig Sekunden später brachte er einen Stapel verstaubter Videokassetten heraus. Er beeilte sich, schnell wieder hinter den Tresen zu kommen und war erst glücklich, als er wieder dort angekommen war und eine blaue Plastiktüte für die Kassetten gefunden hatte. Er versuchte, sie alle in eine Tüte zu stopfen,
aber sie passten nicht hinein und er musste eine weitere Tüte unter dem Tresen hervorziehen.
    Morrow beobachtete, wie er sie verstaute, vorsichtig wie Eier, damit die Tüte nicht einriss. »Arbeiten Sie schon lange hier?«
    »Hm.« Die Frage beunruhigte ihn und er reichte Bannerman die Tüte an den Henkeln. »Ich komme hier erst seit … jetzt.« Schnell setzte er hinzu: »Nicht nach Schottland. Schon viele Jahre hier, aber Laden, ich komme hier erst jetzt.«
    Das Misstrauen und das sanfte träge Lächeln verhießen nichts Gutes in Bezug auf das Viertel, in dem sie sich befanden und in dem Johany wohnte. Morrow schämte sich, erinnerte sich an das rassistische Graffiti an einer Ladenfassade, das sie gesehen hatte, als sie klein war und dachte an einen Laden in Partick, in dessen Schaufenster ein Schild gehangen hatte, auf dem mit Filzstift geschrieben stand: »Dieser Laden wird von Schotten geführt.«
    Die Tür ging hinter ihnen auf, ein Schwall aus Lärm und Staub kam von der Straße herein, und eine ältere Dame mit einer weißen Dauerwelle stand im Eingang. Sie blickte von Bannerman zu Johany. »Wo ist er?«, fragte sie empört.
    »Wer?«, fragte Morrow, weil Johany nichts sagte.
    »Der kleine Mann.« Sie deutete auf den Tresen. »Ist er krank oder was?«
    »Wieso?«, fragte Morrow scharf.
    Die Frau starrte sie ungehalten an. »Wer sind Sie? Haben Sie den Laden gekauft oder was?«
    »Nein. Wer sind Sie?«
    »Wer ich bin?« Sie konnte kaum glauben, dass man sie so etwas fragte. »Ich komme jeden Tag her. Ich bin jeden Tag hier. Wo ist der

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