In der Südsee. Zweiter Band
sie ihm; als jedoch der Händler kurz darauf nach ihr schaute, hatte sie ein so großes Feuer angezündet, daß der Küchenschuppen zu brennen anfing.
»I Kana Kim«, schrie die Frau, als sie ihn kommen sah; er aber hörte nicht auf sie und schlug sie mit einer Pfanne. Der Stiel drang in ihren Schädel, Blut spritzte hervor, man hielt sie für tot, und die Eingeborenen umlagerten drohend das Haus. Ein anderer Weißer war zugegen, ein Mann von älterer Erfahrung. »Sie werden es noch erreichen, daß man uns beide ermordet – wenn Sie so fortfahren«, schrie er. »Sie hat I Kana Kim gesagt!« Hätte sie das nicht getan, er hätte sie mit einem Kessel niederschlagen können. Nicht der Schlag war ein Verbrechen, sondern die Nichtachtung der anerkannten Formel.
Polygamie, die rigorose Unantastbarkeit der Ehefrauen, ihre halbsklavische Behandlung, ihre Absperrung in dem königlichen Harem, ja, selbst ihr Privileg, beißen zu dürfen, deuten eigentlich auf mohammedanische Gesellschaftsformen hin und könnten vermuten lassen, daß man auch hier an die Seelenlosigkeit der Frau glaubt. Dem ist aber durchaus nicht so. Das alles ist nur Schein. Hat man dieses Extrem in dem einen Hause studiert, so kann man im Nachbarhaus auf das Gegenteil stoßen: dort ist vielleicht die Frau die Herrin, der Mann aber nur der erste ihrer Vasallen. Die Macht liegtnicht bei dem Mann oder bei der Frau als solchen, sondern wurzelt vielmehr in dem Häuptling, sei er männlichen oder weiblichen Geschlechts, in dem, der die Länder des Clans geerbt hat und der der Sippe gegenüber an Eltern Statt steht, ihre Dienste beansprucht und für ihre Geldstrafen haftet. Es gibt lediglich eine Quelle der Macht und Würde – die Rangstufe. Der König heiratet einen weiblichen Häuptling – sie wird sofort seine Hörige und muß eigenhändig an Messrs. Wightmanns Steg mitarbeiten. Der König läßt sich von ihr scheiden; sofort gewinnt sie ihren alten Rang und ihre Macht zurück. Sie heiratet einen hawaiischen Matrosen, und siehe da – der Mann ist ihr Lakai, den sie nach Belieben vor die Tür setzen kann. Ja, niedrig geborene Gatten werden sogar körperlich zurechtgewiesen und müssen gleich gehorsamen, erwachsenen Kindern die Züchtigung ertragen.
Wir standen mit einer derartigen Familie auf intimem Fuße, mit Nei Takauti und Nan Tok'; ich nenne als erste die Dame, da es gar nicht anders geht. Eine ganze Woche lang, während wir gewissermaßen in einem Narrenparadiese lebten, war meine Frau allein auf der Suche nach Muscheln an den Meeresstrand der Insel gegangen. Ohne Zweifel war sie dort nicht sicher, denn eines Tages merkte sie, daß ein Mann und eine Frau sie beobachteten. Sie mochte tun, was sie wollte, ihre Wächter behielten sie im Auge, und als es Abend wurde und jene dachten, sie wäre nun lange genug dort geblieben, nahmen sie sich ihrer an und bedeuteten ihr mit Zeichen und in gebrochenem Englisch, nach Hause zu gehen. Unterwegs zog die Dame eineTonpfeife aus dem Ringloch ihres Ohrläppchens, der Gatte steckte die Pfeife an und überreichte sie meiner unglücklichen Frau, die nicht wußte, wie sie die unbequeme Gunst zurückweisen sollte, und als alle zusammen unser Haus erreicht hatten, setzte sich das Paar neben meine Frau auf den Boden und feierte die Rückkehr durch ein Gebet. Von jenem Augenblick an waren sie die anerkannten Freunde der Familie; zweimal täglich brachten sie uns wunderschöne weiße Blumengirlanden, wie es dort Sitte ist; allabendlich kamen sie zu Besuch, und häufig nahmen sie uns in ihre eigene Maniap' mit, wobei Takauti meine Frau, wie ein Kind das andere, an der Hand führte.
Nan Tok', der Gatte, war jung, außergewöhnlich hübsch, von gutmütigstem, heiterstem Temperament und litt in seiner etwas heiklen Stellung ein wenig an unterdrückter Lebensfreude. Nei Takauti, die Gattin, alterte bereits; ihr erwachsener Sohn aus erster Ehe hatte sich erst vor kurzem vor ihren eigenen Augen aus Verzweiflung über einen wohlverdienten Tadel erhängt. Sie war wohl niemals hübsch gewesen, aber sie hatte einen prachtvollen Charakterkopf und düstere, feurige Augen. Sie war eine sehr hohe Häuptlingin, doch seltsamerweise von kleiner, schlanker, sehniger Figur, mit feinen, schmalen Händen und muskulösem, dürrem Hals; das bedeutet für eine Person von Rang eine große Ausnahme. Ihre Grande Toilette bestand unfehlbar aus einem weißen Hemd, als Schmuck trug sie in ihrem Haar und in ihren ungeheuer großen Ohrringlöchern grüne
Weitere Kostenlose Bücher