In der Südsee
wird eine pastorale Etikette bewahrt und sogar verschärft, die weit besser vergessen würde. Das Gemüt des weiblichen Missionars beschäftigt sich beispielsweise ständig mit Fragen der Bekleidung. Nur mit den größten Schwierigkeiten kann man ihr begreiflich machen, daß auch andere Gewänder züchtig sind als die von London her gewöhnten; und um dies Vorurteil zu befriedigen, werden die Eingeborenen zu nutzlosen Ausgaben gezwungen, die Phantasie wird europäisch krankhaft, die Gesundheit wird gefährdet. Der im Zölibat lebende Missionar anderseits, sei er der beste oder schlechteste, geht leicht zu den Lebensgewohnheiten der Eingeborenen über, und hinzu kommt das allgemeine Merkmal eheloser Männer oder die Erbschaft mittelalterlicher Heiligen: nachlässige Kleidung und Unsauberkeit. Selbstverständlich gibt es hier Abstufungen, und die Ordensschwester– ihr sei alle Ehre! – ist selbstredend so blitzsauber wie eine Dame auf dem Ball, über die Art der Ernährung ist nichts zu sagen – sie muß den Polynesier verwundern und abschrecken –, aber über die Annahme der Eingeborenensitten sehr viel. »Jedes Land hat seine Sitten«, sagte Stanislao; sie zu ändern, ist die schwierige Aufgabe des Missionars, und je mehr er auf diesem Gebiete von innen heraus, vom Eingeborenenstandpunkt aus erreicht, desto besser wird er seine Aufgaben lösen. Hier sind die Katholiken meines Erachtens manchmal erfolgreicher, und im Vikariat Dordillons bin ich dessen sicher. Ich habe den Bischof tadeln hören wegen seiner Nachgiebigkeit gegen die Eingeborenen, besonders deshalb, weil er nicht mit genügender Energie gegen den Kannibalismus wütete. Es gehörte zu seiner Politik, wie ein älterer Bruder unter den Eingeborenen zu leben, ihnen zu folgen, solange es möglich, und sie zu führen, wo es notwendig war, nie zu übertreiben und die Entwicklung neuer Gebräuche zu ermutigen, statt die alten gewaltsam auszurotten. Und es mag auf die Dauer besser sein, eine solche Politik überall zu befolgen.
Man könnte annehmen, daß eingeborene Missionare sich als nachsichtiger erwiesen, aber das Gegenteil ist in Wirklichkeit der Fall. Neue Besen kehren gut, und der weiße Missionar von heute wird oft durch die Frömmelei seines eingeborenen Gehilfen behindert. Was sonst könnte man erwarten? Auf manchen Inseln wurden Zauberei, Vielweiberei, Menschenopfer und Tabakrauchen verboten, die Bekleidung des Eingeborenen geändert und er selbst in heftigen Redewendungenvor gegnerischen christlichen Sekten gewarnt, alles durch denselben Mann, zu derselben Zeit und in gleich autoritativer Weise. Wie und nach welchen Maßstäben soll nun der Konvertit das Wesentliche vom Unwesentlichen unterscheiden? Er schluckt die ganze Medizin auf einmal, denn Spielraum für die Phantasie und Beobachtung wird nicht gegeben, und ein Fortschritt wird nicht erzielt, abgesehen von dem rein äußerlichen Nutzen der Verbote. Um die Dinge beim richtigen Namen zu nennen: das alles heißt Aberglauben predigen! Es ist allerdings wenig glücklich, dies Wort anzuwenden: wenige haben Geschichte studiert und viele in kleinen atheistischen Broschüren geblättert, so daß die Mehrheit vorschnell zu dem Schluß kommen könnte, alle Arbeit sei umsonst. Weit gefehlt: dieser halbspontane Aberglaube, verschieden nach der Sekte des ersten Evangelisten und den Sitten der einzelnen Inseln, ist in der Praxis höchst fruchtbar, und besonders diejenigen, die ihn erlernt haben und nun weiterlehren, stehen als leuchtende Vorbilder da vor aller Welt. Das schönste Beispiel christlichen Heldentums, das ich jemals sah, ist einer dieser eingeborenen Missionare. Er hatte zwei Menschenleben unter Gefahr seines eigenen gerettet; gleich Nathan war er einem Tyrannen im Blutrausch entgegengetreten; als die gesamte weiße Bevölkerung floh, erfüllte er allein seine Pflicht, und sein Verhalten inmitten häuslichen Unglücks, das die Öffentlichkeit nichts angeht, erfüllte den Beobachter mit Sympathie und Bewunderung. Er sah aus wie ein kleiner, lächelnder, arbeitsamer Mensch, und man hätte glauben können, er besäße nichts als das, was er tatsächlich zu reichlich besaß, nämlich weiche Gutherzigkeit. (DieRede ist hier von Maka, dem hawaiischen Missionar auf Butaritari in der Gilbertgruppe.)
Zufällig waren die einzigen Rivalen des Monseigneurs und seiner Mission auf den Marquesas einige dieser braunhäutigen Evangelisten, Eingeborene von Hawaii. Ich weiß nicht, was sie über Pater Dordillon
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