In die Nacht hinein: Roman (German Edition)
ist nicht mein Typ.«
»Du bist zu jung, um einen Typ zu haben. Emily mag dich.«
»Nein, tut sie nicht.«
»Wäre es denn so schlimm? Du musst aufhören, deinen Charme zu unterschätzen.«
»Halt die Klappe.«
»Darf ich dir ein Geheimnis in Bezug auf Mädchen verraten?«
» Nein .«
»Sie mögen Freundlichkeit. Du würdest dich wundern, wie weit du bei vielen Mädchen kommst, wenn du einfach zu ihnen gehst und sagst: ›Ich finde dich klasse, ich finde dich wunderschön.‹ Weil sie alle Angst haben, dass sie’s nicht sind.«
»Als ob du das weißt.«
»Ich habe meine Quellen.«
»Richtig. Hat dir das etwa Joanna erzählt?«
»M-hm. Hat sie.«
Joanna Hurst. Das Licht des nördlichen Himmels.
Ein unglaublicheres Objekt kann man sich schwer vorstellen. Sie ist schlank, graziös und herzzerreißend bescheiden; sie hat lange, rötlich braune Haare, die sie sich ab und zu aus den Augen streicht. Sie hat eine Art, den Kopf zu senken, wenn sie anderen zuhört, als wüsste sie, dass ihre Schönheit – die weit auseinanderstehenden Augen und die sinnliche Unterlippe, ihre strahlende Haut – zurückgenommen werden muss, wenn jemand anders überhaupt eine Chance haben soll. Sie geht neuerdings mit einem älteren Jungen, der so beliebt, sportlich und allseits begabt ist, dass er nicht grausam sein muss, und ihre Verbindung wird gefeiert wie die Verlobung eines rechtmäßigen Erben mit einer jungen Prinzessin aus einem mächtigen, reichen Land, dessen Loyalität nun endlich gesichert ist. Joanna wäre für Peter eine Nummer zu groß, selbst wenn sie nicht drei Jahre älter und bereits vergeben wäre.
Und dennoch. Und trotzdem. Sie ist Matthews beste Freundin; sicherlich könnte sie, wenn sich die Chance ergäbe, in Peter etwas von dem sehen, was sie in seinem Bruder sieht. Sicherlich ist der Junge, mit dem sie geht (der den lächerlichen Namen Benton trägt), zumindest ein bisschen langweilig für sie, ein bisschen zu naheliegend, einer dieser prima Kerle,jener freundlichen, einheimischen Helden, die in Filmen nie dominieren, die immer gegen jemanden, der unscheinbarer, aber schlauer ist, den Kürzeren ziehen, gegen jemanden, der tiefgründiger ist, mehr Seele hat, jemanden wie, nun ja, Peter.
»Bist du in Joanna verliebt?«, fragt er Matthew.
»Nein.«
»Glaubst du, sie ist in Benton verliebt?«
»Sie ist sich nicht sicher.Was heißt, dass sie’s nicht ist.«
Peter liegt eine unmögliche, unaussprechliche Frage auf der Zunge. Glaubst du vielleicht … Wäre es auch nur annähernd möglich, dass …
Er kann nicht. Ein Nein wäre zu unerträglich. Er hat sich bereits mit zwölf zu sehr an die Vorstellung gewöhnt, dass sich ihm die große Gelegenheit nie bieten wird, dass er einer der Menschen ist, die sich einen Weg durch das bahnen müssen, was die Krieger und Plünderer zurückgelassen haben.
Er verfolgt das Thema nicht weiter. Er begnügt sich damit, im Lauf der nächsten drei Jahre dafür zu sorgen, dass er bei den relativ seltenen Gelegenheiten, wenn Joanna vorbeikommt (ihm und Matthew ist seit langem klar, dass ihre Freunde nicht scharf darauf sind, viel Zeit in ihrem Haus zu verbringen – es gibt nichts zu essen, und ihre Mutter scheint zu glauben, dass ihre Freunde stehlen, wenn man sie nicht genau beaufsichtigt), daheim und ansehnlich gekleidet ist. Peter wird Emily Dawson erklären, dass sie schön ist, was dazu führen wird, dass sie ihm etliche Abende später bei einem Footballspiel unter der Tribüne einen runterholt und danach nie wieder mit ihm spricht. Er wird sich in seltsamen Momenten dabei ertappen, dass er sich im Beisein von Matthew mackerhaft und verführerisch benimmt, in der Hoffnung, dass Matthew es Joanna mitteilt: Weißt du, mein kleiner Bruder wird irgendwie scharf.
Als jedoch die Monate verstreichen und Matthew nicht die geringste Bemerkung zu Peters neuer Männlichkeit abgibt, wird Peter zu größeren Extremen getrieben. Er fängt einfach an, indem er dasitzt (oft geübt, die Ellbogen cowboyartig über die Lehnen von Sofas und Sesseln gehängt, die Beine weit gespreizt, die Knie leicht durchgedrückt, als müsste er jeden Moment aufspringen und loslegen können) und mit einem leicht verschliffenen, hin und wieder überschnappenden Bariton spricht, den er, so gut er kann, aus tiefster Brust anstimmt. Als er keine Anerkennung erhält, geht Peter einen Schritt weiter. Er legt seine übliche Schüchternheit ab und zieht sich sofort bis auf die Unterhose aus, wann immer er und
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