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In die Nacht hinein: Roman (German Edition)

In die Nacht hinein: Roman (German Edition)

Titel: In die Nacht hinein: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cunningham
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Matthew allein in ihrem Zimmer sind ( Weißt du, mein kleiner Bruder hat einen richtig strammen kleinen Körper ); er fängt an, ganz leise und wie ein bisschen geistesabwesend ein paar von Matthews Lieblingssongs von Cat Stevens zu singen ( Weißt du, mein Bruder ist ein ziemlich gefühlvoller Typ, und er hat eine tolle Stimme ), und zu guter Letzt, als sein dreizehnter Geburtstag dräut, schaut er Matthew jedes Mal, wenn sie miteinander sprechen, tief in die Augen und bemüht sich nach besten Kräften um Sanftmut und einen nüchtern forschenden Blick, eine Art tiefgehende, fragende Aufmerksamkeit ( Weißt du, mein Bruder ist wirklich mitfühlend, er ist ein sehr zärtlicher Typ ).
    Im Nachhinein kann sich Peter nicht vorstellen, weshalb ihm nie der Gedanke kam, dass Matthew glauben könnte, diese kleinen Anmachereien würden ihm gelten. Später wird Peter durch diese Zielstrebigkeit zu einem guten Geschäftsmann und einem schrecklichen Poker-und Schachspieler werden. Mit zwölf, schon fast dreizehn, wird ihm in einer Winternacht plötzlich klar werden, dass Joanna bestenfalls gar nichts von dem ganzen Theater berichtet wurde oder sie schlimmstenfalls auf katastrophale Art davon erfuhr ( Weißt du, ich glaube, mein kleiner Bruder ist scharf auf mich ).
    In dieser Februarnacht (Milwaukee im Februar, seit kurz nach drei Uhr nachmittags dunkel, an die Fenster prasseln harte kleine Körner aus Eishagel, die genauso gut Partikel aus gefrorenem Sauerstoff sein könnten), als Peter und Matthew nebeneinander in ihrem Doppelbett liegen und wie üblich miteinander reden, bis Matthew das Licht ausschaltet, als Matthew sich über eine dumme Tölpelhaftigkeit vonseiten Bentons, des Freundes auslässt, wird Peter aus dem Bett steigen (er trägt nur seine Unterhose und als Zugeständnis an die Kälte ein Paar Wollsocken), sich auf die Kante von Matthews Seite setzen und seine tiefbeseelte Zuhörermiene aufsetzen.
    Matthew sagt gerade: »… er ist ein anständiger Typ, ich meine, er ist nett und so, aber man muss kein Doktor in Liebesdingen sein, um zu wissen, dass man seiner Freundin keine Eishockeykarten zum Geburtstag schenkt …«
    Er stockt und blickt überrascht zu Peter auf, so als wäre Peter wie von Zauberhand auf seinem, Matthews Bett aufgetaucht. Das Verhalten ist so beispiellos, dass es ein paar Sekunden gedauert hat, bis Matthew es überhaupt wahrnimmt.
    Er spricht in Peters sanftes, verständnisvolles Gesicht: »Alles okay?«
    »Klar.«
    »Was ist los?«
    »Nichts. Ich höre dir zu.«
    »Petey …«
    » Peter .«
    » Peter . Ich lehne mich jetzt ein bisschen aus dem Fenster, okay?«
    »Okay.«
    Lehne mich jetzt ein bisschen aus dem Fenster und … SAGE DIR, DASS JOANNA HURST IN DICH VERLIEBT IST.
    Matthew sagt: »Hast du in letzter Zeit … das ist peinlich … gewisse Gefühle gehabt?«
    »Ähm, yeah, ich glaube schon.«
    Sorry, Benton, ich glaube, du hättest ein besseres Geschenk besorgen sollen.
    »Schon okay. Ich verstehe.«
    »Wirklich?«
    »Ich glaube schon.Willst du mir ein bisschen was davon erzählen?«
    »Ich glaube, das kann ich nicht.«
    »Auch das verstehe ich. Hey, Bruder. DNA, was kann man da machen?«
    »Hm-m.«
    Kurzes Schweigen. Peter nimmt sich zusammen.
    Er schafft es zu sagen: »Du liebst sie also auch?«
    Wieder herrscht Schweigen, ein schreckliches. Gefrorene Luftpartikel prasseln an die Fensterscheibe, als würden sie von einem Riesen geschleudert.
    Peter versteht. Nicht ganz, aber. Er versteht auf eine unausgegorene, den Magen aushebelnde Art, dass ein Fehler gemacht, eine falsche Tür geöffnet worden ist. Matthew schaut ihn mit dem gleichen sanftmütigen Blick an, den Peter in den letzten zwei Monaten geübt hat. Peter, so scheint es, hat ihn gar nicht erfunden – er hat ihn lediglich bei Matthew abgeguckt. DNA, was kann man da machen?
    »Nein«, sagt Matthew. »Ich bin nicht in Joanna verliebt. Du schon, was?«
    »Bitte bitte bitte bitte erzähl’s ihr nicht.«
    »Mach ich nicht.«
    Und das ist unglaublicherweise das Ende des Gesprächs, nicht nur in dieser Nacht, sondern für immer. Peter steht auf, legt sich wieder in sein Bett und zieht die Decke hoch. Matthew schaltet das Licht aus.
     
    Peter … was? … verliebt sich? … in Matthew an einem Strand in Michigan, einen Monat vor Matthews sechzehntem Geburtstag.
    Sie sind im alljährlichen Familiensommerurlaub, eine Woche in der muffigen, mit Kiefernholz getäfelten Hütte auf Mackinac Island. Matthew ist inzwischen zu alt – und

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