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In die Wildnis

In die Wildnis

Titel: In die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Krakauer
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schickten die Rangers ein Fernschreiben an sämtliche in Frage kommenden Behörden und fahndeten anhand der Fahrzeugnummer in verschiedenen regionalen Computerdateien nach Anhaltspunkten, die auf einen Zusammenhang mit einem Verbrechen hinweisen könnten. Fehlanzeige.
    Nach und nach gelang es den Rangers, die Fahrzeugnummer zur Hertz - Autovermietung, dem ursprünglichen Besitzer des Wagens, zurückzuverfolgen. Bei Hertz sagte man, daß der Wagen vor vielen Jahren aus dem Fuhrpark genommen und verkauft worden sei und daß man nicht daran denke, irgendwelche Ansprüche geltend zu machen. »Jippie! Super!« Walsh weiß heute noch, wie sehr er sich über diese Nachricht freute. »Ein Gratisgeschenk von den Straßengöttern - die Kiste ist ideal für die Undercoverarbeit im Drogengeschäft.« Walsh behielt recht. Die nächsten drei Jahre wurde der Datsun zu Undercover - Kaufaktionen benutzt, die in dem von Verbrechen geplagten Erholungsgebiet zu zahllosen Festnahmen führten. So ging ihnen zum Beispiel ein Großdealer von Methylamphetaminen ins Netz, der von einem Wohnwagenstellplatz in der Nähe von Bullhead City aus operierte.
    »Wir holen aus der alten Kiste immer noch jede Menge Meilen raus«, weiß Walsh zu berichten. Mittlerweile sind zweieinhalb Jahre vergangen, seit sie den Wagen gefunden haben. »Ein bißchen Benzin, und das Ding läuft den ganzen Tag. So was ist noch Zuverlässigkeit. Wundert mich eh, warum hier nie jemand aufgetaucht ist und ihn zurückverlangt hat.«
    Der Datsun gehörte natürlich Chris McCandless. Nachdem er damit von Atlanta Richtung Westen aufgebrochen war, kam er am 6. Juli in euphorischer Stimmung im Lake-Mead - Erholungsgebiet an, berauscht von der Schönheit der Landschaft. Als er an einem sandigen Flußbett vorbeikam, ignorierte er kurzerhand die Schilder, auf denen Geländefahrten strengstens untersagt waren, und lenkte den Wagen von der asphaltierten Straße. Er folgte dem Flußbett zwei Meilen auf das Südufer des Sees zu. Das Thermometer war an jenem Tag auf fünfzig Grad Celsius geschnellt. Menschenleere, hitzeflimmernde Wüste, so weit das Auge reichte. McCandless schlug sein Zelt im lichten Schatten einer Tamariske auf, umgeben von Feigenkakteen, Klettersalbei und grotesk umherhastenden Krageneidechsen. Er schwelgte förmlich in seiner neugewonnenen Freiheit.
    Das Detrital Wash ist weit und breit der einzige Wasserabzug. Etwa fünfzig Meilen lang reicht es von Lake Mead bis in die Berge nördlich von Kingman. Das Flußbett ist meist kreidetrocken. In den Sommermonaten jedoch erhitzt sich die Luft über dem versengten Erdboden so stark, daß sie wie Bläschen vom Grund eines kochenden Wasserkessels in verwirbelten Strömen aufsteigt. Die aufsteigenden Luftmassen ballen sich regelmäßig zu mächtigen Amboßwolken zusammen, die in einer Höhe von bis zu zehn Kilometern über der Mohavewüste thronen. Zwei Tage nachdem McCandless sein Lager am Lake Mead aufgeschlagen hatte, türmte sich eine ungewöhnlich mächtige Front aus Gewitterwolken am Nachmittagshimmel auf. Fast überall im Detrital Valley gingen wolkenbruchartige Regenfälle nieder.
    McCandless kampierte am Rand des Flußbetts, etwa einen halben Meter über dem Hauptbett. Als die braunen, von Geröll und Schutt durchmischten Wassermassen aus dem Hochland hinabgestürzt kamen, hatte er also gerade noch Zeit, sein Zelt und seine paar Sachen zu retten. Der Wagen war jedoch verloren, denn der einzige Fluchtweg hatte sich in einen schäumenden, reißenden Fluß verwandelt. Der Datsun wurde von der Überschwemmung zwar nicht weggespült, nicht einmal demoliert, aber der Motor war unter Wasser gesetzt, und als McCandless kurze Zeit später versuchte, den Wagen zu starten, wollte er nicht mehr anspringen. In seiner Ungeduld entleerte er sogar noch die Batterie.
    Damit war auch die letzte Hoffnung dahin, den Datsun in Gang zu bekommen. Um den Wagen doch noch irgendwie auf eine asphaltierte Straße zurückzuhieven, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich zu Fuß zur Forstverwaltung aufzumachen und alles zu beichten. Bei den Rangers würde man ihm allerdings eine Menge unangenehmer Fragen stellen: Warum hatte er überhaupt die überall angeschlagenen Vorschriften mißachtet und war mit dem Wagen ins Flußbett hinabgefahren? Ob er sich denn nicht bewußt sei, daß die Fahrzeugzulassung seit zwei Jahren abgelaufen war? Ob ihm klar sei, daß auch sein Führerschein abgelaufen und der Wagen nicht einmal versichert war?
    Was hätte er

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