Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In die Wildnis

In die Wildnis

Titel: In die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Krakauer
Vom Netzwerk:
gesehen, daß er seinen Revolver gezückt hat. Er verhört mich, die Knarre immer auf mich gerichtet, und zum Schluß knurrt er mich nur an:» Wenn ich dich noch mal in der Nähe dieses Zuges erwisch, knall ich dich ab! Und jetzt verpiß dich!« Ein Wahnsinniger! Zum Schluß hab ich's ihm doch noch gezeigt. Fünf Minuten später bin ich auf denselben Zug aufgesprungen und damit bis nach Oakland gefahren.
    Ich melde mich,
Alex
    Eine Woche später klingelte Franz' Telefon. »Es war die Vermittlung«, erzählt er, »die wollte wissen, ob ich ein R - Gespräch von einem gewissen Alex annehmen würde. Als ich dann seine Stimme hörte, war das wie ein Sonnenstrahl nach einem Monat Regen.«
    »Kannst du kommen und mich abholen?« fragte McCandless.
    »Ja. Wo in Seattle bist du?«
    »Ron«, lachte McCandless, »Ich bin nicht in Seattle. Ich bin in Kalifornien, in Coachella. Du brauchst nur die Straße rauffahren.« Nachdem er im verregneten Nordwesten keinen Job gefunden hatte, war McCandless kurzentschlossen auf eine Reihe von Güterzügen gesprungen und in die Wüste zurückgefahren. In Colton, Kalifornien, war er von einem weiteren Wachmann erwischt und ins Gefängnis gesteckt worden. Nach seiner Entlassung war er nach Coachella in der Nähe von Palm Springs getrampt, von wo aus er nun anrief. Franz hängte ein und fuhr gleich los.
    »Wir haben uns in ein Restaurant gesetzt, wo ich ihn mit Steak und Hummer gefüttert habe«, erinnert sich Franz, »und dann sind wir nach Salton City zurückgefahren.«
    Wie sich herausstellte, hatte McCandless nur einen Tag Zeit und war eigentlich nur gekommen, um Wäsche zu waschen und seinen Rucksack zu packen. Wayne Westerberg hatte einen Job für ihn im Getreidesilo in Carthage. Er wollte so schnell wie möglich dorthin. Es war der ii.März, ein Mittwoch. Franz bot McCandless an, ihn nach Grand Junction, Colorado, zu fahren. Er habe am folgenden Montag einen Termin in Salton City und könne ihn daher nicht viel weiter bringen. Zu seiner Überraschung und großen Erleichterung nahm McCandless das Angebot ohne viel Aufhebens an.
    Kurz vor der Abfahrt schenkte Franz McCandless ein paar Kleinigkeiten, die ihm bei seinem Alaska - Abenteuer vielleicht von Nutzen wären: unter anderem eine Machete, einen gefütterten Parka und eine zusammenschiebbare Angelrute. Donnerstag früh brachen sie auf und verließen in Franz' Pick - up Salton City. In Bullhead City machten sie Station, lösten McCandless' Konto auf und schauten kurz bei Charlie vorbei, in dessen Trailer McCandless Bücher und andere Sachen wie zum Beispiel das Fotoalbum/Tagebuch der Kanufahrt auf dem Colorado deponiert hatte. Schließlich bestand McCandless darauf, Franz zum Mittagessen ins Golden Nugget Casino in Laughlin am gegenüberliegenden Ufer einzuladen. Eine Kellnerin erkannte McCandless und rief überschwenglich: »Alex! Alex! Du bist wieder da!«
    Franz hatte sich vor der Reise eine Videokamera gekauft und hielt unterwegs immer wieder an, um Aufnahmen von den Sehenswürdigkeiten zu machen. McCandless duckte sich meist sofort aus dem Bild, wenn das Objektiv sich auf ihn richtete. Dennoch gibt es ein paar Aufnahmen von ihm, wie er oberhalb des Bryce Canyon ungeduldig im Schnee steht. »O.k. jetzt aber wieder los«, ruft er nach ein paar Augenblicken protestierend in Richtung Kamera. »Wir haben noch viel vor, Ron.« Er trägt Jeans und Wollpullover, ist sonnengebräunt und wirkt kräftig und gesund.
    Franz schildert die Reise als sehr angenehm, obwohl sie kaum Rast machten. »Während der Fahrt haben wir manchmal stundenlang schweigend nebeneinander gesessen«, erinnert er sich. »Selbst wenn er schlief, war ich glücklich, einfach weil er da war.« Irgendwann fand Franz den Mut, McCandless um einen besonderen Gefallen zu bitten. »Meine Mutter war ein Einzelkind«, erklärt er. »Mein Vater auch. Und ich bin ihr einziges Kind. Seit mein eigener Sohn tot ist, bin ich der letzte von uns. Wenn es mich nicht mehr gibt, wird meine Familie ausgestorben sein, so als hätte es uns nie gegeben. Also fragte ich Alex, ob ich ihn adoptieren könnte, ob er mein Enkel sein möchte.« McCandless, dem die Bitte peinlich war, reagierte ausweichend. »Laß uns drüber reden, wenn ich aus Alaska zurück bin, Ron.«
    Am 14. März ließ Franz McCandless außerhalb von Grand Junction auf dem Seitenstreifen der Interstate 70 aussteigen und kehrte nach Südkalifornien zurück. McCandless war überglücklich, daß es endlich losging, daß er auf dem

Weitere Kostenlose Bücher