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In die Wildnis

In die Wildnis

Titel: In die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Krakauer
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Sonderlingen, die in die Wildnis Alaskas auszogen und von denen man nie wieder hörte. Einige sind im kollektiven Gedächtnis des Landes fest verankert.
    Da gab es den anti - kulturellen Idealist, der Anfang der siebziger Jahre durch das Dorf Tanana zog und verkündete, daß er den Rest seines Lebens fortan damit verbringen werde, »mit der Natur einen Gedankenaustausch zu führen«. Irgendwann mitten im Winter fand ein Naturbiologe seine gesamte Habe in einer Blockhütte in der Nähe von Tofty - zwei Gewehre, Camping - Ausrüstung und ein Tagebuch, das mit einem wirrem Wortsalat über das Wahre, Schöne und Gute und einer abstrusen Öko-Theorie vollgekritzelte war. Das Innere der Hütte war in Schneeverwehungen versunken, und der junge Mann ist bis heute verschollen.
    Ein paar Jahre später kam der Vietnam - Veteran. Er zimmerte sich östlich von Chalkyitsik, am Black River, eine Blockhütte, »um endlich keine Menschen mehr zu sehen«. Im Februar gingen ihm die Lebensmittel aus und er verhungerte. Allem Anschein nach hatte er nicht einen Versuch unternommen, sich zu retten, obwohl sich drei Meilen weiter stromabwärts eine weitere Hütte befand, in der Fleisch gelagert wurde. Edward Hoagland hatte seinen Tod schriftlich festgehalten und dabei die Beobachtung gemacht, »daß Alaska nicht gerade der ideale Ort für Einsiedler - Experimente und Peace - and - Love - Schwärmer« sei.
    Und dann war da jenes eigenwillige Genie, das ich 1981 zufällig am Ufer des Prince - William - Sunds traf. Ich zeltete damals in den Wäldern bei Cordova, Alaska, und versuchte als Aushilfe auf einem Wadenfischerboot anzuheuern. In Kürze würde das Jagd und Fischereiamt die erste »Freigabe« verkünden - den Beginn der kommerziellen Lachsfangzeit - , und ich versuchte vergeblich, den rechten Augenblick abzupassen. Als ich mich an einem regnerischen Nachmittag in die Stadt aufmachte, begegnete mir ein ungepflegter, seltsam aufgewühlt wirkender Mann um die Vierzig. Er trug einen riesigen schwarzen Zottelbart und schulterlanges Haar, das er sich mit einem schmuddeligen Nylon - Kopfband aus dem Gesicht hielt. Er kam mit flinken, energischen Schritten auf mich zu, während seine Schultern sich unter der nicht zu unterschätzenden Last eines knapp zwei Meter langen Baumstamms beugten.
    Als er näher kam, begrüßte ich ihn. Er murmelte eine Antwort, und wir blieben kurz im Nieselregen stehen und unterhielten uns. Ich fragte ihn nicht, warum er einen durchnäßten Baumstamm in den Wald schleppte, wo es doch dort solche Stämme in Hülle und Fülle gab. Nachdem wir ein paar Minuten ernste Banalitäten ausgetauscht hatten, ging jeder wieder seines Weges.
    Aus unserer kurzen Unterhaltung folgerte ich, daß ich gerade den berühmt - berüchtigten Exzentriker getroffen hatte, den die Einheimischen den »Bürgermeister von Hippie Cove« nannten - eine Anspielung auf eine kleine Meeresbucht im Norden der Stadt, die zu einem Magneten für langhaarige Rucksacktouristen geworden war. Der Bürgermeister hatte einige Jahre in der Nähe der Bucht gewohnt. Die meisten Bewohner von Hippie Cove waren wie ich Sommersiedler, die in der Hoffnung nach Cordova gekommen waren, hervorragend bezahlte Jobs auf Fischerbooten zu ergattern oder, falls dies nicht klappte, in einer der Lachskonservenfabriken unterzukommen. Bei dem Bürgermeister lag die Sache jedoch anders.
    Sein wirklicher Name war Gene Rosellini. Er war der älteste Stief söhn von Victor Rosellini, einem vermögenden Gastronomen aus Seattle, und der Vetter von Albert Rosellini, dem ausgesprochen beliebten Gouverneur des Staates Washington zwischen 1957 und 1965. Gene war als junger Mann ein ausgezeichneter Athlet und hervorragender Student gewesen. Er verschlang massenweise Bücher, praktizierte Yoga und wurde ein Experte in diversen Kampfsportarten. Ob High School oder College, stets hielt er seinen exzellenten Notendurchschnitt. An der University of Washington und später an der Seattle University vertiefte er sich in Anthropologie, Geschichte, Philosophie und Linguistik. Er häufte Hunderte von Seminar - Scheinen an, ohne jemals einen akademischen Grad zu erlangen. Wozu auch? Bildung und das Streben nach Wissen war seiner Ansicht nach ein Wert an sich, der keiner äußerlichen Legitimation bedurfte.
    Nach und nach kehrte Rosellini der akademischen Welt den Rücken und verließ Seattle. Ohne bestimmtes Ziel reiste er die Küste entlang, tourte duch British Columbia und den Panhandle, den unteren

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