In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)
Kontakt zu anderen … hm … Geistern?«
»Nein. Manchmal tun sich zwar zwei oder mehr zusammen, um ihre Kräfte zu bündeln, aber das ist nie von Dauer. Im Grunde sind wir alle Einzelgänger.«
Sie sah mich nur an, und das, was von ihr ausging, etwas Buntes, Bewegtes, verriet mir, dass sie an ihre neuen Freunde dachte. Matt. Holly. Shane. Abby. Sie erzählte mir viel von ihnen, umso mehr, je mehr Zeit sie mit ihnen verbrachte. Und nicht zum ersten Mal packte mich die Angst, Amber zu verlieren, weil ich ihr nicht mehr genügte. Weil sie mich nicht mehr brauchte. Sie an einen der beiden Jungen zu verlieren, weil die ihr etwas geben konnten, wozu ich nicht in der Lage war. Es machte mir nicht allzu viel aus, dass Amber ihre Nachmittage oft mit ihnen verbrachte statt mit mir, weil ich sah und spürte, wie gut es ihr dabei ging. Solange mir nur niemand die Nächte mit ihr nahm, die Nächte hier bei ihr im Zimmer. Natürlich wusste ich, dass das mit uns nicht von Dauer sein konnte. Selbst wenn sie für den Rest ihres Lebens bei mir sein wollte, so würde sie doch älter werden und irgendwann dann alt, würde eines Tages sterben und hoffentlich ohne Umwege auf die andere Seite hinübergehen. Den Weg einschlagen, der mir verwehrt war. Das mit uns war flüchtig wie der Wind und der Nebel über der Bay, wie der luftige Dunsthauch, der ich war. Aber solange es ging, wollte ich daran festhalten. Diese Nächte mit ihr, mit meinem Funny Girl – die durfte mir niemand nehmen.
»Ich möchte, dass ihr euch kennenlernt«, sagte sie nun. »Du und die anderen.«
So etwas wie eine Erinnerung streifte mich. An das Gefühl, wie es war, mit anderen zusammen zu sein, sich einander nahe zu fühlen und aufgehoben und stark, Gleicher unter Gleichen. Und darin mischte sich etwas, das Enttäuschung ähnelte und wehtat.
Fragend, beinahe bittend sah Amber mich an und ich blieb stumm.
54
Sein Schweigen verunsicherte mich, und zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, zog etwas mich nicht zu ihm hin, sondern trieb mich von ihm fort.
»Ich bin gleich wieder da«, wisperte ich, krabbelte an ihm vorbei zum Fußende des Betts und kletterte heraus. Ich brauchte fünf Minuten für mich allein, in der gekachelten Nüchternheit des Badezimmers mit seinem klaren, kalten Halogenlicht. Nur fünf Minuten, ganz für mich. Oder zehn.
Während ich zur Tür ging und sie leise öffnete, spürte ich seine Augen in meinem Rücken, und ebenfalls zum ersten Mal seit langer Zeit war mir nicht ganz wohl in seiner Nähe.
Ted arbeitete noch; der Lichtschein aus dem Zimmer nebenan fiel als gelblicher Hauch in den dunklen Flur. Ich zuckte zusammen, als ich das feine Piepsen von Telefontasten hörte, und unwillkürlich blieb ich stehen.
»Hi, Maggie. Ich bin’s, Ted. Ich hab gesehen, dass du noch online bist und dachte, ich probier’s mal bei dir.« Er lachte auf. »Ja, schon wieder eine ganze Zeit her. Wie geht’s dir? – Und Ruth und euren Jungs? – Ja, kein ganz leichtes Alter, musst du mir nicht sagen.« Ich konnte mich nicht mehr von der Stelle rühren. »Gut. Sehr gut sogar. Ich glaube, sie lebt sich langsam hier ein. Sie erzählt mir leider kaum etwas, aber ich glaube, sie hat inzwischen ein paar Freunde gefunden. – Nein, überhaupt nicht mehr, das war mit einem Schlag vorbei, seither schläft sie jede Nacht durch, Gott sei Dank.« Mir schoss das Blut ins Gesicht. Wie kam er bitte dazu, jemandem von meinen Albträumen zu erzählen? »Ja, natürlich. Was sie durchgemacht hat, hätte jeden umgehauen. Wenn ich nur daran denke, wie es mir schon damit ging, Karen so zu sehen …« Ted atmete tief durch, und als er weitersprach, klang seine Stimme belegt, fast ein bisschen, als wäre er den Tränen nahe. »Mir macht das auch immer noch zu schaffen. Entsetzlich war das. Gerade Karen, die immer so stark gewesen ist, so voller Energie. Sie fehlt einfach in meinem Leben.« Ich rang einige Herzschläge mit mir, dann schlich ich auf Zehenspitzen näher, lehnte mich gegen den Türrahmen und spähte an ihm vorbei. In Jeans un d T -Shirt saß Ted in seinem Schreibtischstuhl und ließ ihn sacht hin und her wippen, während er sich mit der freien Hand immer wieder durch die Haare fuhr. »Ja, sie ist ihr wirklich sehr ähnlich. Genauso tapfer und manchmal auch genauso eigensinnig.« Um meinen Mund zuckte es. »Na ja, geht so. Aber das war auch zu erwarten nach den ganzen Jahren, in denen ich nicht da war. Das wird noch einige Zeit brauchen, darüber waren Karen und ich uns
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