In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)
presste meine Beine noch enger an mich und genoss das Ziepen in meinen Muskeln.
Ted zögerte. Dann sagte er leise: »Ich bin damals nicht abgehauen und hab euch sitzen gelassen. Ich …«
Ich ließ meine Knie los, warf mich bäuchlings der Länge nach hin und presste die Zipfel des Kopfkissens gegen meine Ohren.
Ich wollte nicht hören, was er mir zu sagen hatte, weil es vermutlich genau dasselbe war, was Mam mir immer erklärt hatte. Dass er uns nicht verlassen hatte, weil ich ihm egal war, sondern weil es mit ihm und Mam einfach nicht mehr funktioniert hatte und weil Anthropologen nun einmal auf der ganzen weiten Welt unterwegs waren, das war ihr Job. Das hatte es trotzdem nicht besser gemacht, und das tat es auch jetzt nicht. Überhaupt nicht.
In dieser Nacht träumte ich von einer gewaltigen Flutwelle, die die Sacramento Street hochraste. Ich hörte das donnernde Rauschen, das Krachen, als Fenster und Türen zersplitterten und das Wasser von allen Seiten hereinschoss. Ein Strudel aus Wellen und Trümmern packte mich, riss mich mit und zerrte mich fort.
Und als ich aus diesem Traum hochschreckte und gurgelnd nach Luft schnappte, waren meine Wangen nass.
19
Die Hände in den Taschen meiner Sweatjacke, eilte ich die Franklin Street entlang. Ich ging langsamer, als ich vor dem hohen Metallzaun einen braun gebrannten Mann in Cordhosen und Tweedsakko entdeckte, der einen wuscheligen braungelben Hund an der Leine ausführte. Der Hund schnupperte in aller Seelenruhe an dem Gebüsch, das zwischen den Streben des Zauns hervorwucherte, und ich ging noch langsamer, in der Hoffnung, mit meinem vollgestopften Rucksack wie eine Touristin auszusehen.
Endlich hob der Hund das Bein, pinkelte gegen den Strauch und trabte dann munter neben seinem Herrchen her, das mir freundlich zunickte. Ich nickte zurück und schlenderte ziellos vor dem Tor umher, als würde ich auf jemanden warten. Dabei wartete ich nur darauf, bis Herr und Hund am Ende des Blocks abbogen; rasch sah ich mich nach allen Seiten um und schob das Tor auf.
Wie jeden Nachmittag nach der Schule stapfte ich durch das wuchernde Gras, drückte die Holztür auf der Rückseite auf und tauchte ein in das Dämmerlicht des Korridors. Und wie jeden Nachmittag blieb ich in der Halle einen Augenblick lang stehen, um das Spiel aus Licht und Schatten zu bewundern, das jeden Tag ein anderes war. Heute, während sich draußen hoch oben am Himmel hauchfeine Nebelschleier ausbreiteten und den Sonnenschein filterten, stand ein sanftes Licht im Raum, durch das Buntglasfenster zartblau und hellviolett getönt. Zu den Wänden hin verdichtete es sich zu einem rauchigen Graublau, das in den dunklen Schatten oben an der Treppe verschwand. Wie in einer Traumwelt sah es hier aus und ein kleines Lächeln huschte über mein Gesicht.
Unter dem gegenüberliegenden Fenster schlüpfte ich aus den Gurten und setzte meinen Rucksack ab, der elend schwer war wegen der paar Flaschen Cola light, die ich zusammen mit einer Rolle Kekse noch schnell auf dem Weg hierher bei Chico’s gekauft hatte. Ich bückte mich, löste die Schnürsenkel meiner Sneakers und zog sie aus, bevor ich mich mit einem zufriedenen Aufseufzen im Schneidersitz hinhockte. Mit einer Hand streichelte ich den weichen Stoff, auf dem ich saß – meine türkisblaue Lieblingsdecke von zu Hause, die in einer Umzugskiste an Bord des Containerschiffs nach mir in Amerika angekommen und mit einem kleinen Umweg über meinen Kleiderschrank hierhergewandert war. Das war das Beste an jedem Tag unter der Woche: hierherzukommen und hier zu sitzen. Allein und doch nicht allein, in der Gesellschaft dieses alten, leeren, stillen Hauses.
Seit ich probehalber oben im Badezimmer an den sperrigen Hähnen gedreht hatte, was zu meinem Schreck ein donnerndes Röhren und Rülpsen aus den Rohren in der Wand zur Folge gehabt hatte, bevor dann eine braune, stinkende Brühe herauströpfelte, die zu meiner Freude irgendwann in einen klaren, kalten Wasserstrahl übergegangen war, kam ich sogar noch lieber hierher. Auch die Klospülung hatte ab dem dritten Versuch funktioniert. Bei Walgreens, dem kunterbunten Drogeriemarkt gegenüber von Lori’s Diner, hatte ich Toilettenreiniger gekauft, mit übergezogenen Gummihandschuhen den Deckel angehoben und ohne genauer hinzugucken die stechend riechende pinkfarbene Flüssigkeit hineingekippt, bevor ich den Brillenrand mit fast einer ganzen Flasche Desinfektionsspray imprägnierte.
Nur Strom gab es keinen, aber weil
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