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In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

Titel: In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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man bei Walgreens so ziemlich alles bekam, was man so brauchen konnte, hatte ich mir noch eine Taschenlampe und einen Satz Batterien gekauft, und mit Seife, einem Dreierpack Handtücher, Klopapier und einer Rolle Müllbeutel war ich hier sozusagen eingezogen.
    Ich holte meinen Schulkram aus dem Rucksack, und während der Laptop auf Akku hochfuhr, lehnte ich mich mit dem Rücken an die Wand unter dem Fenster, zog die Knie an und nahm mir von dem Bücherstapel, den ich hier nach und nach angelegt hatte, mein Notizbuch, das mir mit seinem nostalgischen Rankenmuster in Meeresfarben im Shop der Jefferson High sofort ins Auge gestochen war. Ich schrieb nicht viel hinein, nur Dinge über Mam, die mir manchmal durch den Kopf gingen und die ich unbedingt festhalten wollte, weil ich Angst hatte, dass ich sie sonst vergaß. Auf der letzten Seite schlug ich es auf. … 658 657 656 654 653 652 651 650 649
    Ich strich die letzte Zahl durch und schrieb die 648 für den nächsten Tag dahinter. Den Februar hatte ich schon so gut wie hinter mich gebracht, zwischen Schultagen, den Nachmittagen hier und den Touren mit Ted an den Wochenenden durch unser Viertel von Nob Hill sogar besser als gedacht.
    Mein Laptop war so weit; ich legte das Notizbuch zur Seite, stellte ihn mir auf die Knie und fing mit meinen Hausaufgaben an. Mit Deutsch war ich schnell fertig, für Englisch brauchte ich etwas länger, aber ich schaffte es noch, bevor der Akku leer war. Ich klappte den Laptop zu und stopfte ihn zusammen mit den Mitschriften zurück in den Rucksack, bevor ich die Keksrolle aufriss und mir einen Roman schnappte. Gemütlich ringelte ich mich auf der Decke zusammen, knabberte im Liegen Kekse und las.
    Wie meine Augen nach einiger Zeit schwer wurden, merkte ich noch; wie ich bald danach wegdämmerte, nur noch halb.

20
    Ich konnte nicht genug davon bekommen, ihr zuzuschauen, von meinem Platz oben an der Treppe, in dem schmalen Streifen Dunkelheit.
    »Funny Girl« hatte ich sie getauft, weil es lustig aussah, wie sie Grimassen schnitt, wenn sie über ihren Büchern saß. Wie sie ihre Stirn runzelte und die Brauen zusammenkniff, dass eine tiefe Falte dazwischen entstand. Wie sie eine Schnute machte, auf den Lippen herumkaute oder sie zwischen die Zähne zog. Manchmal murmelte sie vor sich hin, schimpfte leise oder stöhnte auf, und auch das fand ich lustig. Und sehr, sehr süß.
    Ich mochte es, wie sie nach und nach mehr Dinge anschleppte und hierließ. Als ob etwas von ihr bei mir blieb, auch wenn sie dann wieder ging. Mir gefiel das kleine Buch, in das sie oft hineinschrieb, ich mochte die Farben seines Einbands. Natürlich hätte ich nicht darin herumblättern sollen, aber ich tat es trotzdem, ich wollte wissen, wer sie war, was sie dachte, was sie beschäftigte. Aber sie schrieb in einer fremden Sprache, die ich nicht beherrschte. Ein Wort wiederholte sich dauernd: »Mam«. Bedeutete es das Gleiche wie »Mom«? Schrieb sie über ihre Mutter? Hatte sie Ärger mit ihr? Ich ertappte mich dabei, wie ich mit den Fingerspitzen über die großen, runden Buchstaben in blauer Tinte strich. Als könnte ich ihr so näher sein. Etwas von ihr aufnehmen und sie verstehen.
    Auf der letzten Seite dieses Buchs zählte sie etwas ab, wie ein Häftling, der den Tag seiner Freilassung herbeisehnt. Und die Bücher mit den bunten Umschlägen, die sie neben der Decke aufgestapelt hatte, waren teils in ihrer Sprache, teils auf Englisch. Manchmal nahm sie das eine oder andere davon wieder mit und ließ dafür ein anderes hier. Ab und zu blätterte ich eines der englischen Bücher auf, doch mir gelang es nie, mehr als ein paar Zeilen davon zu überfliegen. Vielleicht war es zu lange her. Aber ich war auch noch nie ein Bücherwurm gewesen.
    So lange und so viel ich auch über sie nachdachte – ich konnte mir keinen Reim darauf machen. Sie war und blieb ein unlösbares Rätsel für mich. Vor allem weil sie sich von allen Ecken der Stadt ausgerechnet dieses Haus ausgesucht hatte. Bemerkte sie denn nicht, dass hier etwas nicht stimmte?
    Die Augen waren ihr zugefallen, und den Kopf locker auf ihrem ausgestreckten Arm, die andere Hand schlaff auf dem aufgeschlagenen Buch vor ihr, war sie eingeschlafen. Gleichmäßig hob und senkte sich ihre Brust und eine tiefe Ruhe ging von ihr aus. Ich hielt es nicht länger aus; ich ging zu ihr hinunter und hockte mich an der Wand neben ihr hin, einige Schritte von ihr entfernt.
    Aus der Nähe betrachtet, war sie noch hübscher. Ihre

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