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In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

Titel: In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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Haare glänzten und sahen weich aus; ich konnte winzige Sommersprossen auf ihrer Nase erkennen und wie lang und dicht ihre Wimpern waren. Ich hätte zu gern gewusst, wie sich wohl ihre helle, feine Haut anfühlte. Und wie es sein mochte, ihren Mund zu berühren, der leicht geöffnet war. Sie zu küssen. Ich war schon versucht, mich zu ihr hinüberzurecken und den Krümel wegzuwischen, der an ihrer Unterlippe klebte, als ihre Brauen zuckten. Ein Schaudern rann durch sie hindurch, ihre Lider flatterten und klappten dann auf.
    Zum ersten Mal sah ich ihr in die Augen, die von einem tiefen, leuchtenden Blau waren. Sie blickten geradewegs in meine Richtung und weiteten sich dann erschrocken.

21
    Seine Augen waren grün. Ein tiefes, warmes Grün, fast Oliv. Wie Laub im Spätsommer, kurz bevor es sich zu verfärben beginnt.
    Das war das Erste, was mir durch den Kopf schoss; dann sog ich scharf die Luft ein und fuhr hoch.
    »Zieh Leine!«, krächzte ich, meine Stimmbänder noch mürbe vom Schlaf, und rutschte auf der Decke rückwärts. Meine Knie zitterten zu sehr, als dass ich hätte aufstehen und davonlaufen können. »Sag mal, hörst du schlecht?! Verschwinde!«
    Seine Brauen hoben sich. Dunkel waren sie, irgendwo zwischen Braun und Schwarz, wie regennasse Erde, genau wie seine wilden Locken. Suchend blickte er sich um und sah mich dann wieder unter gerunzelter Stirn an.
    Er starrte mich einfach nur an, bevor sein Blick ins Leere glitt. In seinem grobknochigen Gesicht arbeitete es; die Kiefermuskeln spannten sich an und lockerten sich wieder und seine Brauen waren ständig in Bewegung. Super. Ich war mit einem Psycho allein in diesem verlassenen Haus.
    »Ja, genau dich mein ich!«, blaffte ich ihn an und hoffte, ich klang wesentlich mutiger, als ich mich fühlte. »Oder siehst du hier sonst noch jemanden?!«
    Mit einem Schlag entspannte sich seine Miene und hellte sich auf. Er sah mich wieder an und das Strahlen in seinen grünen Augen traf mich irgendwo weit unten in meinem Bauch.
    »Ich wollte dich nicht erschrecken«, sagte er dann vorsichtig, als traute er seiner eigenen Stimme nicht, die tief war und ein bisschen heiser klang. Er sprach mit einem Akzent, den ich nicht einzuordnen wusste, härter als das Englisch sonst hier an der Westküste, mit einem gerollten R.
    »Ich muss gehen«, murmelte ich und kam unsicher auf die Füße, stieg hastig in meine Sneakers und bückte mich nach meinem Rucksack.
    »Warte!« Geschmeidig und fast lautlos sprang er auf und ich wich zurück.
    Er war ein Stück größer als ich und auch älter, bestimmt achtzehn oder neunzehn. Und wesentlich stärker, unter dem grauen Hemd ließen sich breite Schultern und feste Muskeln erahnen. Nicht durch Sport gestählt wie bei Shane Diggs, sondern einfach von Natur aus muskulös sah er aus; die geöffneten obersten Hemdknöpfe ließen den Ansatz kräftiger Schlüsselbeine sehen. Er machte einen Schritt auf mich zu und ich noch einen zurück.
    »Bleib, wo du bist!«, fauchte ich und packte die Gurte meines Rucksacks fester. »Komm ja nicht näher!«
    Er war mir unheimlich mit seinen seltsamen Klamotten; dieses Hemd, das selbst mein Opa nicht angezogen hätte, diese locker fallenden grauschwarzen Hosen und die groben Schnürschuhe, die mich an Springerstiefel erinnerten. Ein Schatten legte sich auf sein Gesicht, und er hob die Hände, die groß und kräftig waren und ein bisschen sehnig.
    »Ich tu dir nichts«, raunte er. »Bestimmt nicht! Schau.« Langsam ging er in die Hocke, ließ sich wieder auf dem Boden nieder und legte die Unterarme locker auf die Knie. »Gut so?« Er neigte den Kopf und sah mich schräg von unten herauf an. Eine dicke Haarsträhne kringelte sich in seine Stirn.
    Misstrauisch musterte ich ihn. Er war definitiv älter als ich und sah mehr nach einem erwachsenen Mann aus als nach einem Jungen aus meiner Klasse oder der darüber. Ein Sahneschnittchen , hätte Sandra mir wohl entzückt zugeraunt. Vor Sonnyboy Hannes hatte sie mehr auf solche finsteren, verwegenen Typen gestanden, am besten noch mit Motorrad.
    Und verwegen und finster sah dieser Typ hier wirklich aus, obwohl seine Haut hell war, fast noch heller als meine. An ihm war so gar nichts, was Mädchen in meinem Alter normalerweise als süß oder knuffig bezeichneten; an ihm war so ziemlich alles das genaue Gegenteil davon. Das flächige Gesicht mit der schweren, kantigen Kinnlinie. Die kräftige, markante Nase. Die geraden Brauen, unter denen die zu den Schläfen hin

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