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In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

Titel: In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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wenn … hm … mal sehen«, murmelte ich schnell hinterher und schulterte meinen Rucksack. Mit einem kurz hingeworfenen »Mach’s gut« drehte ich mich abrupt um und ging mit schnellen Schritten davon.
    Ich hatte kaum das Tor im Eisenzaun hinter mir zugezerrt, da begann ich zu laufen. Immer wieder warf ich bang einen Blick über meine Schulter, ob er mir vielleicht folgte, und erst als ich in der Sacramento Street die Wohnungstür hinter mir zugeschlagen hatte und mich mit dem Rücken dagegenfallen ließ, atmete ich auf.
    Dann fiel mir ein, dass ich meine Bücher dortgelassen hatte. Meine Decke. Und mein Notizbuch.

22
    Seit einer geschlagenen Stunde lungerte ich nun schon in der Nachmittagssonne vor dem Zaun herum und starrte auf die verwitterte Fassade des Hauses. Die Eisenstäbe unmittelbar vor mir verströmten einen säuerlich-metallischen Geruch, weil meine Hände, die sie umklammerten, feucht waren. Ich traute mich einfach nicht hinein. Wenn ich noch mal so in die Klemme geraten würde wie neulich, würde Ted sicher nicht mehr so ruhig bleiben; wahrscheinlich würde er mir den Hals umdrehen, und das zu Recht. Sofern das dann überhaupt noch ging. Ich sah schon die Schlagzeile im San Francisco Chronicle vor mir: Sechzehnjährige Schülerin in leer stehendem Haus … Es schüttelte mich. Nein, daran wollte ich gar nicht denken.
    Doch die ganze Zeit über hatte ich dieses komische Ziehen im Bauch, als ob jemand mit unsichtbaren Fäden an mir rupfte und riss, und schließlich fasste ich mir ein Herz und drückte das Tor auf.
    Vorsichtig schlich ich durch den dämmrigen Korridor in die Halle hinein. Meine Sachen unter dem gegenüberliegenden Fenster sahen unberührt aus, exakt so wie ich sie gestern liegen gelassen hatte. Für einen kurzen Augenblick vergaß ich alles andere, als ich den Lichterzauber aus kobaltblauen, purpurfarbenen und fast rosafarbenen Sprengseln bestaunte, der den Raum erfüllte.
    »Amber.«
    Ich fuhr herum, und geblendet von den farbig getönten Sonnenstrahlen, die durch das Buntglasfenster einfielen, musste ich ein paarmal blinzeln. Auf halber Treppe hockte Nathaniel und sah zu mir herunter. Es dauerte ein paar Herzschläge, bis sich vor meinen Augen sein dunkler Schattenriss aufklarte und Konturen, Flächen und Einzelheiten daraus hervortraten. Wie er so unter den tanzenden Lichtstreifen dasaß, die Unterarme auf die Knie gelegt und die Finger verschränkt, sah er kein bisschen Furcht einflößend aus. Immer noch kantig und stark und ein bisschen wild mit seinen dunklen, verwuschelten Haaren, aber auch verletzlich, auf eine Art, die mich verwirrte. In zerrissenen Jeans und Lederjacke hätte er den Prototyp des coolen Rebellen abgegeben, der an jeder Schule alle Mädchenköpfe verdrehte und reihenweise Herzen brach.
    »Ich hatte es zwar gehofft, aber ich hätte nicht gedacht, dass du noch mal hierherkommst.« Seine Augen strahlten auf und meine Knie wurden weich.
    Verlegen schob ich meine Hände in die Jeanstaschen. »Ja, ähm, ich … also, meine Sachen …« Ich nickte hinter mich.
    »Du hattest gestern Angst vor mir.« Meine Wangen brannten und ich wich seinem eindringlichen Blick aus. »Ist es dir lieber, wenn ich Abstand halte?«
    Unwillkürlich hob ich die Augen wieder zu ihm an und mein Mund bewegte sich zu einem kleinen Lächeln. »Ja. Viel besser.«
    »Gut.« Als wäre er mein Spiegelbild, zeichnete sich auch auf seinem Gesicht ein Lächeln ab. »Wenn ich dir verspreche, mich nicht von hier oben wegzubewegen – gehst du dann nicht gleich wieder fort?«
    Ich zog die Schultern hoch. Da war diese Stimme in meinem Kopf, die mir zuzischte, ich solle machen, dass ich fortkomme, ob mit meinem Kram oder ohne. Ich witterte Gefahr, aber auch noch etwas anderes. Und dieses andere, das ich nicht einordnen konnte, ließ mir wohlig warm werden und sorgte dafür, dass meine Sneakers wie auf dem Holzboden festgetackert waren.
    Einige Herzschläge lang schwiegen wir beide. Dann holte ich tief Luft und fragte ihn: »Übernachtest du ab und zu hier? In diesem Haus?«
    Seine Augen wanderten durch den Raum. »Kann man so sagen.«
    Ich spürte, wie sich sein Blick auf mich heftete, und senkte den Kopf; mittlerweile hatte ich meine Hände so tief in den Taschen vergraben, dass sich meine Ellenbogen schon beinahe durchdrückten.
    »Ich kann mir vorstellen, was du jetzt denkst«, hörte ich ihn flüstern. »Aber ich tu dir wirklich nichts.«
    Um meinen Mund zuckte es. »Würd ich an deiner Stelle auch

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