In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall
stattfand.«
»In welcher Hinsicht eigenartig?«, fragte Markby neugierig. Mrs Hayward kratzte sich die drahtigen Haare.
»Sehr still. Sehr verstohlen, geheimnisvoll. Sie hat ihre Mutter verloren, vielleicht liegt es daran. Ihre richtige Mutter, meine ich. Sonia war nicht gerade das, was ich einen anständigen Ersatz nennen würde.« Markby schätzte, dass die tote Sonia Franklin in Mrs Haywards Augen rein gar nichts hätte richtig machen können. Er blickte zu den Zwillingen.
»Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich den Kindern ein paar Fragen stelle? Wo wir sowieso schon hier sitzen, meine ich?«
»Nur zu«, antwortete Mrs Hayward gelinde überrascht. An ihre Töchter gewandt, befahl sie:
»Sagt, was ihr wisst, ihr beiden.«
»Keine Sorge«, beruhigte Markby lächelnd die beiden verständlicherweise erschrockenen Kinder.
»Ihr seid mit Tammy befreundet, nicht wahr?«
»Wir kennen sie von der Schule her«, murmelte einer der Zwillinge.
»Das ist Lynette«, erklärte Mrs Hayward.
»Die andere ist Lucy. Eigentlich heißt sie Lucinda. Wir hatten überlegt, sie Belinda zu nennen, ihr den gleichen Vornamen zu geben, den ich trage, aber es funktioniert nicht gut, wenn zwei Leute mit dem gleichen Namen unter einem Dach leben, oder? Selbst Lucinda klingt ein wenig nach Belinda, wenn man es laut ruft, deswegen nennen wir sie Lucy.«
»Ich habe eine Nichte namens Emma«, sagte Markby, als Mrs Hayward mit ihrer ausschweifenden Erklärung fertig war.
»Sie und ihre Freundinnen haben manchmal Geheimnisse. Es ist eine Art Spiel. Habt ihr vielleicht auch ein Geheimnis, das ihr mit Tammy Franklin teilt?« Die Zwillinge blickten noch erschrockener drein.
»Kommt schon!«, ermunterte sie ihre Mutter.
»Habt ihr plötzlich eure Zungen verschluckt?« Ohne Vorwarnung brach Lucy in Tränen aus. Lynette drehte sich wütend zu ihrer Schwester um.
»Hör auf damit!«, befahl sie.
»Hör sofort auf damit, Luce!«
»Gütiger Gott, was hat das zu bedeuten?«, verlangte ihre Mutter zu wissen.
»Hör auf zu schniefen, Lucy, sofort. Und jetzt erzählt mir, was ihr beiden zu verbergen habt! Keine Ausreden mehr! Ich will es hören!« Wenn einer seiner Beamten ein Kind auf diese Weise ins Gebet nähme, sinnierte Markby, würde die Verteidigung es als Nötigung bezeichnen. Die Zwillinge allerdings waren wahrscheinlich an den Stil ihrer Mutter gewöhnt. Lucy rappelte sich vom Tisch hoch, um ein Papiertaschentuch aus einer Packung auf der Anrichte zu holen, und kehrte schniefend, aber ohne Tränen zurück. Lynette, die nach Markbys Meinung mehr nach der Mutter kam, saß stocksteif auf ihrem Stuhl und fixierte den fremden Besucher mit feindlichem Blick.
»Es war ein Streich, mehr nicht«, begann sie.
»Wir haben es nicht böse gemeint. Wir wussten ja nicht, dass Sonia ermordet werden würde.«
»Hey, was hat das zu bedeuten?«, fragte ihre Mutter. Sie wandte sich zu Markby.
»Sollte ich vielleicht einen Anwalt hinzuziehen?«
»Wenn es Ihnen lieber ist. Aber ich denke nicht, dass Ihre Töchter mit dem Mord zu tun haben. Ich glaube vielmehr, sie hätten Tammy keinen Streich gespielt, wenn sie gewusst hätten, was auf der Hazelwood Farm geschehen würde. Habe ich Recht, Kinder?« Beide nickten eifrig.
»Also schön«, sagte die Mutter.
»Was für ein Streich war das?« Lynette ernannte sich zur Sprecherin.
»Tammy hat so einen Rucksack, in dem sie ihre Schulsachen aufbewahrt. Er sieht aus wie ein Frosch, ein grüner Frosch.« Markby, die Teetasse halb auf dem Weg zum Mund, erstarrte. Der Froschrucksack. Sie hatten ihn nie gefunden. Er hätte es wissen müssen.
»Wir steigen alle zusammen aus dem Schulbus.« Lynette sprach jetzt direkt zu ihm.
»Tammy, Lucy und ich. Wir sind mit ihrem Rucksack davongerannt. Es war nur ein Streich. Wir hätten ihn wieder zurückgebracht, aber Tammy wurde ganz böse und stapfte davon in Richtung ihrer Farm. Lucy und ich blieben mit ihrem Rucksack allein zurück.« Sie hielt inne und blickte ihre Mutter schuldbewusst an.
»Ihr habt Tammys Rucksack nicht mit hierher nach Hause gebracht«, sagte diese.
»Wo ist er?«
»Wir … wir haben ihn zu dem alten Viadukt getragen und über das Geländer geworfen. Er ist zwischen den Bäumen gelandet, in der Böschung.« Lynette besaß den Anstand, die letzten Worte nur noch zu murmeln. Sie hatte den Blick niedergeschlagen.
»Ihr werdet alle beide noch heute Abend jeder einen Brief an Tammy schreiben«, platzte ihre Mutter hervor,»in dem ihr euch bei ihr
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