In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall
Markby zu Tammy.
»Ich bin Superintendent Markby.« Und zu Franklin gewandt:
»Ich denke, diese Schaukel sieht nicht mehr besonders sicher aus, meinen Sie nicht, Franklin?« Franklin blinzelte. Seine Augen, die blicklos ins Leere gestarrt hatten, fokussierten langsam wieder. Auf seine Wangen kehrte etwas Farbe zurück, und die schreckliche Maske seines Gesichts wurde allmählich wieder menschlich.
»Nein, wahrscheinlich haben Sie Recht.« Er blickte nervös zu dem Ast hinauf.
»Wir müssen uns unterhalten«, sagte Markby.
»Vielleicht können wir Ihre Nichte zu Hause absetzen und weiter nach Bamford fahren?«
»Werde ich verhaftet?«, erkundigte sich Franklin verwirrt.
»Nein«, sagte Markby.
»Sie begleiten mich aus freien Stücken.« Er glaubte, die Verwirrung des Mannes zu verstehen. Ihre Ursache lag nicht in dem begründet, was nun mit ihm geschah, sondern in dem, was er Augenblicke zuvor zu tun im Begriff gestanden hatte.
»Aus freien Stücken?«, wiederholte Franklin.
»So nennt man das also.« Er streckte eine Hand aus und legte sie seiner Nichte auf den Kopf.
»Komm, Tammy. Es wird Zeit, nach Hause zu fahren.«
KAPITEL 16
SIMON FRANKLIN wirkte eigenartigerweise in der beengten, spartanischen Umgebung des Verhörzimmers der Bamforder Wache, als sei er zu Hause. Vielleicht ist es sein akademisches Erscheinungsbild, dachte Markby, das ihm die Aura eines Mönchs in seiner Zelle verleiht. Und eine Zelle war es, in der Markby ihn am Ende zu sehen hoffte, auch wenn er sich keine Illusionen machte, wie schwierig das noch werden konnte. Pearce hatte alles stehen und liegen lassen und war hinzugekommen, um die Befragung durchzuführen.
»Bitte erzählen Sie uns noch einmal, wie Ihre Beziehung zu ihrer Schwägerin, Mrs Sonia Franklin, ausgesehen hat.«
»Da gibt es nichts zu erzählen.« Simon Franklin zog seine Brille ab und hielt sie auf die ihm eigene Weise an dem geflickten Rahmen.
»Ich kannte sie bereits vor ihrer Ehe mit meinem Bruder, denn sie war eine Freundin meiner früheren Partnerin. Nach der Hochzeit habe ich sie häufig gesehen, wie das so ist. Ich denke, ich kam einigermaßen gut mit ihr aus. Wir hatten jedenfalls keine Streitereien. Ich betrachtete Sonia als Mitglied der Familie.«
»Als wir uns das letzte Mal unterhalten haben, sagten Sie, dass sie manchmal während ihrer abendlichen Spaziergänge zu Ihnen zu Besuch kam«, fuhr Pearce fort.
»Ja, eigentlich relativ oft, solange meine Ex-Partnerin noch bei mir gewohnt hat. Die Frauen waren Freundinnen, und ich kann Sie nur warnen, daraus nichts Falsches abzuleiten! Ich denke, ich habe Ihnen auch gesagt, dass Sonias Besuche seltener wurden, nachdem Bethan ausgezogen war.«
»Heute Nachmittag kamen Ihr Bruder und Ihre Nichte zu Ihnen zu Besuch. Haben Sie sich mit Ihrer Nichte unterhalten, nachdem Ihr Bruder wieder gefahren war?«
»Selbstverständlich habe ich das!«, schnappte Simon.
»Hören Sie, meine Nichte ist ein zwölfjähriges Mädchen, Herrgott noch mal! Ich verstehe nicht, warum sie in diese Sache hineingezogen werden muss! Sie hat genug durchgemacht in den letzten beiden Jahren!« Markby rührte sich auf seinem Stuhl.
»Mr Franklin, welche Absicht hatten Sie, als ich Sie und Ihre Nichte heute Nachmittag im Obstgarten hinter Ihrem Cottage angetroffen habe?« Simon errötete, während er antwortete.
»Sie haben uns bei einem harmlosen Spiel angetroffen, weiter nichts. Ich habe Tammy auf der Schaukel angestoßen. Das haben Sie selbst gesehen.«
»Das habe ich. Ich habe allerdings auch gesehen, dass die Schaukel in einem sehr erbärmlichen Zustand ist. Die Seile sind brüchig und verrottet, und der Ast, an dem sie befestigt sind, ist der Belastung nicht mehr gewachsen. Ist Ihnen das nicht aufgefallen?«
»Vermutlich hätte es mir auffallen müssen«, antwortete Franklin störrisch.
»Aber es ist mir nicht aufgefallen.«
»Wir werden uns erneut mit Ihrer Nichte unterhalten.«
»Sie mögen ihr Flausen in den Kopf setzen und ihr Worte in den Mund legen, aber ich werde jegliche Anschuldigung von mir weisen, die Sie vorbringen! Meine Beziehung zu meiner Schwägerin war rein verwandtschaftlicher Natur! Ich weise Ihre Schlussfolgerung zurück, es könnte irgendetwas anderes gewesen sein! Ich weiß überhaupt nichts über Sonias Tod!«
»Heute Nachmittag war ich auf der Cherry Tree Farm«, fuhr Markby fort.
»Ich habe mit Mrs Hayward und den Zwillingen gesprochen, in Gegenwart ihrer Mutter.«
»In Gegenwart ihrer Mutter!«,
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