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In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall

In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall

Titel: In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Granger Ann
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Tammy, die man sehr vorsichtig behandeln musste. Was sollte sie den Erwachsenen sagen? Sie war noch nie in ihrem bisherigen Leben mit Mord in Berührung gekommen und allem, was damit zusammenhing. Der bloße Gedanke an die damit verbundene Gewalt, noch dazu gegen eine Frau, ließ Übelkeit in ihr aufsteigen. Wer hatte es getan? Warum hatte er es getan? Wo versteckte er sich? Würde er erneut morden? Beobachtete er die Farm? War sie, Jane, möglicherweise selbst in Gefahr …?
    An dieser Stelle unterbrach Jane entschlossen ihre abschweifenden Gedanken und ermahnte sich, ihre Fantasie in Zukunft mehr zu zügeln. Jetzt war nicht der Augenblick dafür. Sie benötigte ihre Geistesgegenwart, und sie musste praktisch denken. Doch noch während sie dies dachte, wurden ihre guten Vorsätze von etwas völlig anderem davongespült.
    Sie hatte eine Ansammlung von Gebäuden an einer Straßenbiegung erreicht. Es war kein Dorf, nicht einmal ein Weiler, sondern nicht mehr als drei oder vier Cottages am Straßenrand zusammen mit einer großen, aus Stein errichteten Scheune, die zu einer Werkstatt umfunktioniert worden war. Sie hätte einfach vorbeifahren können, und das wäre besser so gewesen. Doch ihr Fuß trat wie von allein auf die Bremse – jedenfalls erschien es ihr so –, und sie lenkte zum Straßenrand. Sie schaltete den Motor ab und blieb sitzen, während sie mit sich selbst im Widerstreit lag, was sie tun sollte.
    Die Werkstatt schien leer, doch das Tor stand weit geöffnet, was bedeutete, dass Peter irgendwo in der Nähe war. Eine Tafel über dem Tor verkündete
    »Handgefertigte traditionelle Möbel«. Jane stieg aus dem Wagen und näherte sich dem Tor.
    Sie hatte kein Recht, einfach so unangemeldet vorbeizuschneien, und, wie sie im Herzen wusste, unerwünscht. Sie wusste nicht, warum sie es dennoch tat, es sei denn, um ihre Ankunft auf der Hazelwood Farm noch einmal fünfzehn Minuten hinauszuzögern. Andererseits würde dieser Besuch auf seine Weise genauso schwierig und verlegen werden wie die Begegnung mit einem der Franklins.
    Jane atmete den Geruch der Werkstatt ein, das warme Aroma von frisch geschnittenem Holz, Lack, Beize, Lasur und die über allem liegende Feuchtigkeit von Dampf. Der Boden unter ihren Füßen war von einer dicken Schicht Sägespänen bedeckt, die bereits wie Pulver an ihren Schuhen hafteten. Neben dem Tor standen vier fertig gestellte Stühle, ein kompletter Satz. Wahrscheinlich eine Auftragsarbeit.
    »Peter?«, rief sie in die Werkstatt.
    Er antwortete nicht, doch sie glaubte, leise Geräusche von jemandem in einem abgetrennten Bereich im hinteren Teil der Werkstatt zu hören, wo Peter sein Büro hatte. Sie ging auf das Büro zu und rief erneut.
    »Peter? Ich bin es, Jane. Ich kam zufällig vorbei und dachte …«
    Sie hatte die Tür zum Büro erreicht. Dort saß er, an seinem Schreibtisch, der wie stets übersät war mit Papieren und Abfall, schmutzigen Kaffeebechern und ungeöffneter Post. Doch Peter arbeitete nicht. Er saß mit dem Kopf in den Händen da und erweckte den unübersehbaren Eindruck tiefster Verzweiflung. Sie erkannte, dass er ihre Rufe nicht wahrgenommen hatte und nicht einmal jetzt realisierte, dass sie neben ihm stand.
    »Peter?« Jane berührte ihn an der Schulter.
    Er regte sich wie jemand, der aus tiefstem Schlaf erwacht, und wandte ihr das Gesicht zu. Sie atmete erschrocken ein. Er sah furchtbar aus. Seine Haut war leichenblass, die Wangen eingefallen, dunkle Ringe unter den Augen. Er war unrasiert und hatte, wie es aussah, wenigstens eine Nacht in seiner Kleidung geschlafen.

    »Peter? Was um alles in der Welt ist passiert? Bist du krank?«
    »Jane«, sagte er tonlos.
    »Nein. Mir fehlt nichts. Ich bin nicht krank.« Er log ganz offensichtlich, doch was konnte sie tun? Die Art und Weise, wie er sie anstarrte, erschreckte und verängstigte sie. Es war, als ginge sein Blick durch sie hindurch, als wäre ihre Anwesenheit ohne jedes Interesse für ihn. Was im Grunde genommen zutraf, erkannte sie schockiert. Er hatte sie aus seinem Leben verdrängt, und ihr unerwartetes Erscheinen interessierte ihn genauso sehr wie ein Zeuge Jehovas, der ihn an der Tür zu einem Bibelgespräch überreden wollte. Vorbei ist vorbei, dachte sie bitter. Du erzählst all deinen Freundinnen und deiner Familie, dass ihr euch einvernehmlich getrennt habt, doch das stimmt einfach nicht. Es ist nie einvernehmlich. Im Endeffekt läuft es immer darauf hinaus, dass einer von beiden den anderen nicht

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