In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall
noch weiter zu ermutigen. In ihm regte sich das ungute Gefühl, dass sie sich in die Geschichte hineinsteigerte. Doch unglücklicherweise hingen Merediths Augen an Franklins Lippen, und sie bemerkte Markbys gequälte Anstrengungen nicht. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und fixierte Franklin mit eisigem Blick. Es war ihm in der Vergangenheit schon häufiger aufgefallen, dass Frauen diese intellektuell aussehenden Burschen offensichtlich mochten und bereit waren, ihnen zuzuhören. Möglicherweise erweckte ihr Aussehen den Eindruck, dass das, was sie zu sagen hatten, wert war, angehört zu werden. Was nach Markbys Erfahrung längst nicht immer der Fall war. Meredith, normalerweise eine scharfe Beobachterin und gute Menschenkennerin, schien ganz fasziniert von Simon Franklin. Sie hing förmlich an seinen Lippen. Markby war bereits zu der Erkenntnis gelangt, dass er seine Entscheidung, Franklin an ihrem Tisch Platz nehmen zu lassen, wahrscheinlich für lange Zeit bereuen würde. Dieses Gespräch würde eine ganze Weile länger dauern als fünf Minuten, und es war auf dem besten Weg, den gesamten Abend zu verderben.
»Tammy? Die Beziehung zwischen den beiden brauchte ihre Zeit, um sich zu entwickeln, wie Sie sich wohl denken können, doch es wurde immer besser«, versicherte Franklin Meredith. Er sah Markby wieder an.
»Hören Sie, die Polizei wird doch wohl verstehen können, dass Hugh einen Tag voll harter Arbeit hinter sich hatte und am nächsten Tag weitere Arbeit auf ihn wartete. Nur zur Information, sein einziger, fest angestellter Helfer lag mit einem gezerrten Rücken im Bett. Es ist überhaupt nicht so unerklärlich, wieso Hugh zu Bett gegangen ist und es Sonia überlassen hat, zurückzukommen, wann sie wollte. Selbstverständlich erkannte er am Donnerstagmorgen, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Er überlegte, was zu tun sei, als Danny Smith mit der Nachricht vorbeikam, dass er die Tote unten bei den Eisenbahnschienen gefunden hatte.« Meredith setzte zu einer Frage an, öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Simon Franklin beugte sich vor, wie um seine nächsten Worte zu unterstreichen. Er fixierte Markby mit glitzerndem Blick, der Markby an Samuel Taylor Coleridges Alten Seefahrer erinnerte. Ein listiger Fuchs, der genau wusste, was er wollte.
»Mein Bruder hat sein Bestes versucht, angesichts seines Zustands, Ihrem Inspector die Situation zu erklären, doch der Mann wollte einfach nicht begreifen, dass Sonia ihre eigenen Wege ging. Er hielt es für ungewöhnlich, sogar verdächtig, aber das … das war es nicht.«
»Ich bin sicher, dass Inspector Pearce aus einer Mücke keinen Elefanten machen wird, wenn es das ist, was Sie befürchten. Doch er muss Fragen stellen, das ist sein Beruf.« Meredith sah Markby ein wenig verwirrt an. Was war denn das für eine Antwort? In schärferem Tonfall fuhr Markby fort:
»Hören Sie, steckt noch mehr dahinter? Spucken Sie es doch einfach aus. Wir versuchen, uns ein wenig zu amüsieren.« Simon redete unbeirrt weiter.
»Ich habe Ihrem Mann Pearce gesagt …« Markby beherrschte sich nur mühsam. Fast hätte er den Mann unterbrochen und ihm gesagt, dass Pearce nicht sein Mann war.
»… dass heutzutage eine Menge merkwürdiger Gestalten auf dem Land herumlaufen. Ich habe Sonia gewarnt, auf sich aufzupassen, insbesondere, wenn sie abends noch spazieren ging. Die Tatsache, dass sie auf Hazelwood-Land ist, bedeutet längst nicht, dass sich dort niemand anderes herumtreibt, der nichts dort zu suchen hat. Sonia war keine Frau, die auf dem Land zu Hause ist, und sie sah nicht, dass das Leben auf dem Land nicht so ist, wie es für Stadtmenschen zu sein scheint. Nicht einmal ihre Ehe mit Hugh hat ihr die Augen für die Realitäten des Landlebens geöffnet.« Franklin nahm einen Schluck von seinem Pint.
»Glauben Sie mir, Superintendent, unser Leben ist nicht mehr wie früher. Sie sollten sich die merkwürdigen Gestalten ansehen, die Hugh einstellen muss, um die Ernte einzubringen. Letztes Jahr hat er Kartoffeln angebaut. Mehr Arbeit, als die Mühe wert war. Am Ende blieb ihm nichts anderes übrig, als polnische Studenten einzustellen.« Und ich bezweifle, dass sie eine Arbeitserlaubnis hatten, dachte Markby. Er widerstand der Versuchung, den Kopf in den Händen zu vergraben und laut zu stöhnen.
»Aber im Augenblick arbeiten keine Erntehelfer bei Ihnen, oder? Beziehungsweise in letzter Zeit?«, fragte er hölzern.
»Was?
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