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In einem anderen Land

In einem anderen Land

Titel: In einem anderen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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still zu sein. Geht's wirklich morgen los, Frederico? Er kommt ins amerikanische Lazarett, sag ich dir doch, antwortete Rinaldi. Zu den wunderschönen Schwestern. Nicht solchen bärtigen wie hier in den Feldlazaretten. Ja, ja, sagte der Major, ich weiß, daß er ins amerikanische Lazarett kommt. Mir machen die Bärte nichts aus, sagte ich. Wenn ein Mann sich einen Bart wachsen lassen will, soll er doch. Warum lassen Sie sich keinen Bart wachsen, Signor Maggiore? Ich könnte dann keine Gasmaske aufsetzen. Doch. Alles geht unter eine Gasmaske. Ich hab mal in 'ne Gasmaske gekotzt. Nicht so laut, Kleiner, sagte Rinaldi. Wir wissen alle, daß du an der Front warst. Ach, mein süßer Kleiner, was werde ich nur machen, wenn du weg bist? Wir müssen jetzt gehen, sagte der Major. Jetzt wird's sentimental. Hör mal, ich hab 'ne Überraschung für dich. Deine Engländerin. Weißt du? Die Engländerin, die du jeden Abend in ihrem Lazarett besucht hast? Die kommt auch nach Mailand. Sie und noch eine kommen ans amerikanische Lazarett. Es sind noch keine Schwestern aus Amerika da. Ich hab heute mit dem Chef ihres riparto gesprochen. Hier sind zuviel Frauen an der Front. Sie schicken ein paar zurück. Na, wie gefällt dir das, Kleiner? Schön? Ja? Du wirst in einer großen Stadt leben und deine Engländerin zum Knutschen dahaben. Warum werde ich nicht verwundet? Vielleicht werden Sie noch, sagte ich. Wir müssen gehen, sagte der Major. Wir trinken und machen Radau und regen Frederico auf. Geht noch nicht. Doch, wir müssen gehen. Auf Wiedersehn. Viel Glück. Alles Gute. Ciao, ciao, ciao. Komm schnell wieder, Kleiner. Rinaldi küßte mich. Du riechst nach Lysol. Leb wohl, Kleiner, leb wohl. Alles Gute. Der Major klopfte mir auf die Schulter. Sie gingen auf den Zehenspitzen raus. Ich war ganz betrunken, schlief aber ein.
    Am nächsten Morgen früh ging's los nach Mailand, und wir kamen 48 Stunden später an. Es war eine schreckliche Reise. Wir warteten diesseits von Mestre ewig lange auf einem Nebengleis, und Kinder kamen heran und sahen neugierig herein. Ich schickte einen kleinen Jungen, eine Flasche Cognac kaufen; er kam aber wieder und sagte, es gäbe nur Grappa. Ich sagte, dann kauf das, und als er's brachte, ließ ich ihm das Wechselgeld, und der Mann neben mir und ich betranken uns und schliefen bis hinter Vicenza, wo ich aufwachte und auf den Boden kotzte. Es war egal, weil der Mann auf der Seite schon mehrere Male auf die Erde gekotzt hatte. Später glaubte ich den Durst nicht ertragen zu können, und auf einem Rangiergleis außerhalb von Verona rief ich einen Soldaten an, der neben dem Zug auf und ab ging, und er brachte mir etwas Wasser. Ich weckte Georgetti, den Jungen, der auch betrunken war, und bot ihm Wasser an. Er sagte, ich solle es ihm über die Schulter gießen, und dann schlief er weiter. Der Soldat wollte die Münzen, die ich ihm geben wollte, nicht nehmen und brachte mir eine matschige Apfelsine dafür. Ich lutschte daran und spuckte das Innere aus und beobachtete, wie der Soldat draußen vor einem Gepäckwagen auf und ab ging, und nach einer Weile machte der Zug einen Ruck und fuhr los.

Zweites Buch

01
    Wir kamen am frühen Morgen in Mailand an, und man lud uns im Güterbahnhof aus. Ein Sanitätswagen brachte mich ins amerikanische Lazarett. Als ich auf der Bahre in dem Sanitätswagen fuhr, hatte ich keine Ahnung, welchen Teil der Stadt wir passierten, aber als sie die Bahre herausnahmen, erblickte ich einen Marktplatz und eine offene Weinhandlung und ein Mädchen, das gerade ausfegte. Die Straße wurde gesprengt, und es roch nach frühem Morgen. Sie setzten die Bahre hin und gingen hinein. Sie kamen mit dem Pförtner zurück. Er hatte einen grauen Schnurrbart, trug eine Pförtnermütze und war in Hemdsärmeln. Die Bahre ging nicht in den Lift hinein, und man beriet, ob es besser wäre, mich von der Bahre zu heben und mit dem Fahrstuhl zu fahren oder die Bahre die Treppe hinaufzutrage n. Ich hörte die Diskussion mit an. Man entschied sich für den Fahrstuhl. Sie hoben mich von der Bahre. «Sachte», sagte ich. «Nehmt euch in acht.» Im Fahrstuhl war es sehr eng, und als sich meine Beine bogen, taten sie furchtbar weh. «Macht meine Beine lang», sagte ich.
    «Es geht nicht, Signor Tenente, es ist kein Platz.» Der Mann, der das sagte, hatte seinen Arm um mich gelegt, und mein Arm hing um seinen Hals. Sein von Knoblauch und Rotwein metallischer Atem schlug mir ins Gesicht.
    «Sei vorsichtig», sagte der

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