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In einem anderen Land

In einem anderen Land

Titel: In einem anderen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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sehr genossen.»
    «Ich habe Ihnen ein paar Kleinigkeiten mitgebracht», sagte er. Er hob die Päckchen auf. «Dies ist ein Moskitonetz. Hier eine Flasche Wermut. Mögen Sie Wermut? Und hier englische Zeitungen.»
    «Bitte machen Sie sie auf.»
    Er freute sich und entfaltete sie. Ich hielt das Moskitonetz in der Hand. Er hob den Wermut hoch, damit ich ihn sehen konnte, und stellte ihn dann auf die Erde neben mein Bett. Ich hielt ein Blatt der englischen Zeitung in die Höhe. Ich konnte die Überschriften lesen, wenn ich es so drehte, daß das Zwielicht vom Fenster darauffiel. Es war The News of the World.
    «Das andere sind Illustrierte», sagte er.
    «Ich freue mich wahnsinnig darauf, sie zu lesen. Wo haben Sie die nur her?»
    «Ich habe nach Mestre geschickt. Ich lasse mehr für Sie kommen.»
    «Es ist sehr nett von Ihnen, mich zu besuchen, Padre. Trinken Sie ein Glas Wermut?»
    «Danke, nein, behalten Sie's. Es ist für Sie.»
    «Nein, trinken Sie ein Glas.»
    «Gut. Ich bringe Ihnen mehr.»
    Die Ordonnanz brachte Gläser und öffnete die Flasche. Dabei brach der Korken ab, und das Ende mußte in die Flasche hineingestoßen werden. Ich sah, daß der Priester enttäuscht war, aber er sagte: «Gut, gut, das macht nichts.»
    «Ihr Wohl, Padre.»
    «Auf schnelle Genesung.»
    Danach hielt er sein Glas in der Hand, und wir sahen einander an. Manchmal sprachen wir zusammen und waren gute Freunde, aber heute abend war es schwierig.
    «Was ist los, Padre? Sie scheinen sehr müde zu sein?»
    «Ich bin müde, aber ohne jede Berechtigung.»
    «Es ist die Hitze.»
    «Nein. Wir sind ja erst im Frühling. Ich fühl mich hundselend.»
    «Sie haben den Krieg satt.»
    «Nein, aber ich hasse den Krieg.»
    «Mir macht er auch keinen Spaß», sagte ich.
    Er schüttelte den Kopf und sah zum Fenster hinaus.
    «Ihnen macht's nichts aus. Sie sehen's nicht. Verzeihen Sie. Ich weiß, daß Sie verwundet sind.»
    «Das ist Zufall.»
    «Obwohl Sie verwundet sind, sehen Sie es nicht, das merke ich. Ich selbst sehe es auch nicht, aber ich spür's ein bißchen.»
    «Als ich verwundet wurde, sprachen wir gerade davon. Passini sprach davon.»
    Der Priester setzte sein Glas hin. Er dachte an etwas anderes.
    «Ich kenne sie, weil ich genauso bin wie sie», sagte er.
    «Trotzdem sind Sie anders.»
    «Aber in Wirklichkeit bin ich wie sie.»
    «Die Offiziere sehen gar nichts.»
    «Manche doch. Manche sind sehr zartbesaitet und fühlen sich schlimmer als irgendeiner von uns.»
    «Die meisten sind anders.»
    «Es hat nichts mit Geld oder Erziehung zu tun. Es ist was anderes. Selbst mit Geld oder Bildung würden Leute, wie Passini, sich nicht wünschen, Offizier zu sein. Ich auch nicht.»
    «Sie haben den Rang eines Offiziers, und ich bin Offizier.»
    «Ich bin's aber eigentlich nicht, und Sie sind nicht einmal Italiener. Sie sind Ausländer, aber Sie sind den Offizieren näher als den Mannschaften.»
    «Was ist der Unterschied?»
    «Ich kann's nicht so einfach ausdrücken. Es gibt Leute, die immer zum Krieg bereit sind. In diesem Land gibt's eine Menge von der Sorte. Und es gibt andere Leute, die keinen Krieg wollen.»
    «Aber jene zwingen sie, ihn zu führen.»
    «Ja.»
    «Und ich unterstütze sie.»
    «Sie sind ein Ausländer. Sie sind ein Patriot.»
    «Und die, die keinen Krieg wollen? Können die ihn verhindern?»
    «Sie sind nicht organisiert, um etwas zu verhindern, und wenn sie sich organisieren, lassen ihre Führer sie im Stich.»
    «Dann ist es also hoffnungslos?»
    «Es ist niemals hoffnungslos. Aber manchmal bin ich ohne Hoffnung. Ich geb mir immer Mühe zu hoffen, aber manchmal geht's nicht.»
    «Vielleicht ist der Krieg bald vorbei.»
    «Hoffentlich.»
    «Was werden Sie dann tun?»
    «Wenn möglich gehe ich zurück in die Abruzzen.» Sein braunes Gesicht strahlte plötzlich.
    «Sie lieben die Abruzzen?»
    «Ja, sehr.»
    «Dann sollten Sie zurückgehen.»
    «Ich wäre nur zu glücklich, wenn ich da leben könnte, um Gott zu lieben und ihm zu dienen!»
    «Und geachtet zu werden.»
    «Ja, und geachtet zu werden. Warum nicht?»
    «Es spricht nichts dagegen. Sie sollten geachtet werden.»
    «Das ist gleichgültig. Aber da in meiner Heimat ist es selbstverständlich, daß man Gott liebt. Es ist kein dreckiger Witz.»
    «Ich verstehe.»
    Er sah mich an und lächelte.
    «Sie verstehen, aber Sie lieben Gott nicht.»
    «Nein.»
    «Lieben Sie ihn gar nicht?» fragte er.
    «Nachts hab ich manchmal vor ihm Angst.»
    «Sie sollten ihn lieben.»
    «Ich

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