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In einem anderen Land

In einem anderen Land

Titel: In einem anderen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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ganz fraglos mißtrauisch und zu gut für ihre Stellung. Sie fragte mich eine Menge Dinge und schien es für irgendwie entehrend zu halten, daß ich bei den Italienern gewesen war.
    «Kann ich Wein zu den Mahlzeiten haben?» fragte ich sie.
    «Nur wenn's der Doktor verschreibt.»
    «Kann ich keinen bekommen, bis er kommt?»
    «Bestimmt nicht.»
    «Haben Sie vor, ihn bei Gelege nheit kommen zu lassen?»
    «Wir haben ihm nach dem Comer See telefoniert.»
    Sie ging hinaus und Miss Gage kam zurück.
    «Warum waren Sie gegen Miss Van Campen ungezogen?» fragte sie, nachdem sie mir etwas sehr geschickt gemacht hatte.
    «Das war nicht meine Absicht, aber sie war hochnäsig.» «Sie sagt, Sie seien tyrannisch und unhöflich.» «War ich nicht. Aber was soll denn das , ein Lazarett ohne Arzt?» «Er kommt ja. Man hat ihm an den Comer See nachtelefoniert.» «Was macht er da? Schwimmt er?» «Nein. Er hat dort ein Krankenhaus.» «Warum holt man denn dann keinen anderen Arzt?» «Sst, sst! Seien Sie ein guter Junge; er wird schon kommen.» Ich schickte nach dem Pförtner, und als er kam, sagte ich ihm auf italienisch, er solle mir in der Weinhandlung eine Flasche Cinza no, ein Fiasco und die Abendzeitungen holen. Er ging weg und brachte sie in Zeitungspapier eingewickelt, packte sie aus, entkorkte sie auf meinen Wunsch und stellte den Wein und den Wermut unter mein Bett. Man ließ mich zufrieden, und ich lag im Bett und l sa Zeitung, die Neuigkeiten von der Front und die Liste toter Offiziere mit ihren Ehrenabzeichen, und dann langte ich runter und holte die Flasche Cinzano und hielt sie gerade auf meinem Bauch, das kühle Glas gegen meinen Bauch, und nahm kleine Schlucke, und es drückten sich Kreise auf meinem Bauch ab, weil ich die Flasche zwischen den einzelnen Schlucken dort hielt, und ich beobachtete, wie es draußen über den Dächern der Stadt dunkel wurde. Die Schwalben kreisten umher, und ich beobachtete sie und die Nachtfalken, wie sie über Dächern flogen, und trank den Cinzano. Miss Gage brachte mir ein Glas mit etwas Eierpunsch. Ich ließ die Wermutflasche auf der anderen Bettseite verschwinden, als sie hereinkam.
    «Miss Van Campen ließ Cherry reinmachen», sagte sie. «Sie sollten nicht unhöflich zu ihr sein. Sie ist nicht jung, und das Lazarett bedeutete für sie eine große Verantwortung. Mrs. Walker ist zu alt und gar keine Hilfe.»
    «Sie ist eine großartige Frau», sagte ich. «Danken Sie ihr vielmals.»
    «Ich bringe Ihnen sofort Ihr Abendessen.» «Das ist nicht so eilig», sagte ich. «Ich hab keinen Hunger.» Als sie das Tablett brachte und es auf den Bettisch stellte, bedankte ich mich bei ihr und aß ein bißchen Abendbrot. Dann wurde es draußen dunkel, und ich konnte die Strahlen der Scheinwerfer am Himmel hin und her streifen sehen. Ich beobachtete das eine Zeitlang und schlief dann ein. Ich schlief fest bis auf einmal, wo ich schwitzend und erschreckt aufwachte, und dann schlief ich wieder ein und versuchte, nicht in meinen Traum hineingezogen zu werden. Ich wachte, lange bevor es hell wurde, ganz auf und hörte Hähne krähen und blieb wach, bis es hell wurde. Ich war müde, und als es richtig hell war, schlief ich wieder ein.

02
    Als ich erwachte, war helles Sonnenlicht im Zimmer. Ich glaubte, ich sei zurück an der Front und streckte mich im Bett aus. Meine Beine taten mir weh, und ich sah an ihnen herunter, sah, daß sie noch immer in den schmutzigen Verbänden steckten, und als ich die sah, wußte ich, wo ich war. Ich langte nach dem Klingelzug und drückte auf den Knopf. Ich hörte es draußen surren, und dann kam jemand auf Gummisohlen den Gang entlang. Es war Miss Gage, und sie sah in dem hellen Sonnenlicht etwas älter und nicht so hübsch aus.
    «Guten Morgen», sagte sie. «Haben Sie gut geschlafen?»
    «Ja, danke sehr», sagte ich. «Wollen Sie mir einen Friseur bestellen?»
    «Ich kam herein, um mich nach Ihnen umzusehen, und Sie schliefen, und dies hier hatten Sie im Bett.»
    Sie öffnete die Schranktür und hielt die Wermutflasche hoch. Sie war beinahe leer. «Ich habe die andere Flasche, die unterm Bett stand, auch da reingestellt», sagte sie. «Warum haben Sie mich nicht um ein Glas gebeten?»
    «Ich dachte, möglicherweise würden Sie's mir verbieten.»
    «Ich hätte mit Ihnen getrunken.»
    «Sie sind ein großartiges Mädchen.»
    «Es ist nicht gut für Sie, allein zu trinken», sagte sie. «Sie sollten es nicht tun.»
    «Schön.»
    «Ihre Freundin Miss Barkley ist vorhin

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