In einem anderen Land
der Priester. Er war jetzt selbstsicherer als damals, als ich fortgegangen war. «Sie können sich nicht vorstellen, wie's gewesen ist. Vielleicht doch, weil Sie früher hier gewesen sind und wissen, wie es sein kann. Viele Leute haben diesen Sommer gemerkt, was Krieg ist. Offiziere, von denen ich glaubte, sie würden es nie wissen, wissen es jetzt.» «Und was wird werden?» Ich streichelte über die Decke. «Ich weiß es nicht, aber ich kann mir nicht denken, daß es lange so weitergehen wird.» «Was wird passieren?» «Man wird aufhören zu kämpfen.» «Wer?» «Beide Seiten.» «Hoffentlich», sagte ich. «Glauben Sie's nicht?»
«Ich glaube nicht, daß beide Seiten gleichzeitig aufhören werden.»
«Wahrscheinlich nicht. Das hieße zuviel erwarten. Aber wenn ich sehe, wie sich die Leute verändert haben, kann ich mir nicht vorstellen, daß es noch lange dauern wird.»
«Wer hat bei den Kämpfen in diesem Sommer gesiegt?»
«Niemand.»
«Die Österreicher haben gesiegt», sagte ich. «Sie haben die Eroberung des San Gabriele verhindert. Sie haben gewonnen. Die werden nicht aufhören.»
«Wenn sie sich so fühlen, wie wir uns fühlen, könnten sie doch aufhören. Sie haben dasselbe durchgemacht.»
«Niemand hört auf, wenn er gerade siegt.»
«Sie entmutigen mich.»
«Ich kann nur sagen, was ich denke.»
«Dann glauben Sie also, daß es weiter und weiter geht und nichts geschehen wird?»
«Ich weiß nicht. Ich glaube nur, daß die Österreicher nicht gerade aufhören werden, nachdem sie einen Sieg errungen haben. Niederlagen machen uns zu Christen.»
«Die Österreicher sind Christen - bis auf die Bosnier.»
«Ich meine nicht der Technik nach Christen. Ich meine wie unser Heiland.»
Er sagte nichts.
«Wir sind jetzt alle viel friedfertiger, weil wir besiegt worden sind. Wie wäre unser Heiland wohl gewesen, wenn ihm Petrus aus dem Garten herausgeholfen hätte?»
«Es wäre genauso gewesen.»
«Ich glaube nicht», sagte ich.
«Sie entmutigen mich», sagte er. «Ich glaube und bete, daß etwas geschehen möge. Ich fühle es sehr nahe.»
«Es kann schon etwas geschehen», sagte ich. «Aber es wird nur uns geschehen. Wenn sich die anderen ebenso fühlen wie wir, dann war's gut. Aber sie haben uns besiegt und fühlen sich dementsprechend anders.»
«Viele Soldaten haben immer so gedacht. Nicht erst weil sie besiegt sind.»
«Sie fühlten sich von Anfang an verloren. Sie fühlten sich verloren, als man sie von ihren Höfen wegholte und sie in die Armee steckte. Darum ist der Bauer voll Weisheit, weil er sich von Anfang an verloren fühlt. Geben Sie ihm Macht, und Sie werden sehen, wie weise er ist.»
Er sagte nichts. Er dachte nach.
«Jetzt bin ich selbst niedergeschlagen», sagte ich. «Deshalb denke ich nie über diese Dinge nach. Ich denke niemals nach, und doch, wenn ich dann spreche, sage ich Dinge, die mein Verstand ohne Denken gefunden hat.»
«Ich hatte auf etwas gehofft.»
«Niederlage?»
«Nein. Etwas mehr.»
«Es gibt nicht mehr. Außer Sieg, und das kann schlimmer sein.»
«Ich habe lange Zeit auf Sieg gehofft.»
«Ich auch.»
«Jetzt weiß ich nicht.»
«Es gibt nur eins oder das andere.»
«Ich glaube nicht mehr an Sieg.»
«Ich auch nicht. Aber ich glaube auch nicht an Niederlage. Obschon es besser sein mag.»
«Woran glauben Sie?»
«An Schlaf», sagte ich.
Er stand auf.
«Es tut mir sehr leid, daß ich so lange geblieben bin. Aber ich unterhalte mich so gern mit Ihnen.»
«Es ist sehr schön, wieder einmal zu sprechen. Ich hab das über Schlaf so gesagt, ganz ohne mir etwas dabei zu denken.»
Wir standen auf und schüttelten einander im Dunkeln die Hände.
«Ich schlafe jetzt bei 307», sagte er.
«Ich gehe morgen sehr früh in Stellung.»
«Ich besuche Sie, wenn Sie zurück sind.»
«Wir machen dann einen Spaziergang und unterhalten uns.»
Ich begleitete ihn an die Tür.
«Bleiben Sie oben», sagte er. «Es ist sehr nett, daß Sie wieder da sind. Obschon es für Sie nicht so nett ist. » Er legte mir die Hand auf die Schulter.
«Mir ist es schon recht», sagte ich. «Gute Nacht.»
«Gute Nacht. Ciao!»
«Ciao», sagte ich. Ich war todmüde.
03
Ich wachte auf, als Rinaldi hereinkam, aber er sprach nicht, und ich schlief wieder ein. Am nächsten Morgen war ich angezogen und weg, ehe es hell war. Rinaldi wachte nicht auf, als ich aufbrach.
Ich hatte die Bainsizza nie vorher gesehen, und es war ein eigentümliches Gefühl, den Abhang hinaufzufahren, den
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