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In einem anderen Land

In einem anderen Land

Titel: In einem anderen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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sagte der Oberstleutnant, «erschießen Sie mich bitte gleich ohne weiteres Verhör. Das Verhör ist dämlich.» Er machte das Zeichen des Kreuzes. Die Offiziere sprachen zusammen. Einer schrieb etwas auf einen Notizblock.
    «Seine Truppe im Stich gelassen, Befehl, ihn zu erschießen», sagte er.
    Zwei Carabinieri führten den Oberstleutnant ans Flußufer. Er ging in dem Regen, ein alter Mann, ohne Hut, zu jeder Seite ein Carabiniere. Ich sah nicht, wie sie ihn erschossen, aber ich hörte die Schüsse. Sie verhörten jetzt einen andern. Dieser Offizier war auch von seiner Truppe getrennt. Man erlaubte ihm nicht, die Sache zu erklären. Er weinte, als sie ihm das Urteil vorlasen, und sie verhörten den nächsten, als man ihn erschoß. Sie legten Wert auf ein genaues Verhör des nächsten, während der Mann, der vorher verhört worden war, erschossen wurde. Auf diese Weise war es ganz klar, daß sie nichts daran ändern konnten. Ich wußte nicht, ob ich auf mein Verhör warten oder gleich einen Fluchtversuch machen sollte. Ich sah, wie ihr Verstand arbeitete; vorausgesetzt, daß sie Verstand hatten, und vorausgesetzt, daß er arbeitete. Es waren alles junge Leute, und sie retteten ihr Vaterland. Die zweite Armee wurde jenseits des Tagliamento wieder neu aufgestellt. Sie exekutierten alle Offiziere vom Hauptmann aufwärts, die nicht bei ihrer Truppe waren. Sie rechneten auch summarisch mit deutschen Agenten in italienischer Uniform ab. Sie trugen Stahlhelme. Nur zwei von uns hatten Stahlhelme. Einige der Carabinieri trugen einen. Die anderen Carabinieri trugen ihre großen Hüte. Wir nannten sie «Aeroplane». Wir standen im Regen und wurden einer nach dem anderen vorgeführt, verhört und erschossen. Bis jetzt hatten sie jeden, den sie verhört hatten, erschossen. Die Verhörenden hatten die Gleichgültigkeit und wunderbare, ungehemmte Hingabe an die starre Gerechtigkeit von Männern, die mit dem Tode zu tun haben, ohne in Gefahr zu sein, ihn selbst zu erleiden. Sie verhörten jetzt den Obersten eines Linienregiments. Noch drei Offiziere hatte man gerade zu uns geführt.
    «Wo war sein Regiment?»
    Ich sah auf die Carabinieri. Sie sahen sich die Neuankömmlinge an. Die anderen sahen auf den Oberst. Ich duckte mich, drängelte mich zwischen zwei Männern durch und lief mit eingezogenem Kopf dem Fluß zu. Ich stolperte am Rand und plumpste mit einem Aufplanschen hinein. Das Wasser war sehr kalt, und ich blieb unter Wasser, so lange ich konnte. Ich fühlte, wie die Strömung mich herumwirbelte, und blieb unter Wasser, bis ich dachte, ich würde nie wieder hochkommen. In dem Augenblick, in dem ich auftauchte, holte ich Luft und tauchte wieder unter. Es war leicht, unter Wasser zu bleiben mit soviel an und den Stiefeln. Als ich das zweite Mal auftauchte, sah ich einen Balken vor mir, erreichte ihn und hielt mich mit einer Hand fest. Ich blieb mit dem Kopf hinter ihm und sah noch nicht einmal über ihn weg. Ich wollte das Ufer nicht sehen. Als ich lief, wurde geschossen, und als ich das erste Mal auftauchte, auch. Ich hörte es, als ich beinahe an der Oberfläche war. Jetzt wurde nicht geschossen. Der Balken schaukelte in der Strömung, und ich hielt ihn mit einer Hand fest. Ich sah nach dem Ufer. Es schien sehr schnell vorbeizuziehen. Im Fluß war viel Treibholz. Das Wasser war sehr kalt. Ich kam unter dem Buschwerk einer Insel vorbei. Ich hielt mich mit beiden Händen an dem Balken fest und ließ mich treiben. Das Ufer war jetzt außer Sicht. 

07
    Man weiß nicht, wie lange man sich im Wasser befindet, wenn die Strömung sehr stark ist. Es erscheint einem sehr lange, und es kann sehr kurz sein. Das Wasser war kalt und flutend und vielerlei kam vorbei, was von den Ufern fortgespült worden war, als der Fluß stieg. Ich hatte Glück, daß ich einen schweren Balken hatte, an dem ich mich festhalten konnte, und ich lag in dem eisigen Wasser mit dem Kinn auf dem Holz und hielt mich mit beiden Händen, so leicht wie ich konnte, fest. Ich hatte Angst vor einem Krampf, und ich hoffte, daß wir gegen das Ufer treiben würden. Wir kamen den Fluß in einer langen Kurve hinunter. Es fing an, so hell zu werden, daß ich die Büsche längs der Uferlinie sehen konnte. Vor mir lag eine bebuschte Insel, und die Strömung ging auf das Ufer zu. Ich überlegte, ob ich meine Stiefel und meine Sachen ausziehen sollte, um zu versuchen, an Land zu schwimmen, aber beschloß dann, es nicht zu tun. Ich hatte mir überhaupt keine Gedanken gemacht;

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