In einem anderen Land
Maschinengewehrfeuer hören. Keine Granaten. Das war etwas. Wahrscheinlich hatten sie einige Truppen auf der Straße erwischt. Ich sah im Halbdunkel des Heuschobers hinunter und sah Piani auf der Tenne stehen. Er trug eine lange Wurst, einen Krug mit irgend etwas und zwei Weinflaschen unterm Arm.
«Komm rauf», sagte ich. «Da ist die Leiter.» Dann fand ich, daß ich ihm doch lieber helfen sollte, die Sachen raufzubringen, und ging hinunter. Mein Kopf drehte sich ein bißchen vom Im-Heu-Liegen. Ich war beinahe eingeschlafen.
«Wo ist Bonello?» fragte ich.
«Ich werd's Ihnen sagen», sagte Piani, wir gingen die Leiter hinauf. Oben auf dem Heu stellten wir die Sachen hin. Piani nahm sein Messer mit dem Korkenzieher heraus und zog den Korken aus einer der Weinflaschen.
«Die sind versiegelt», sagte er. «Der muß gut sein.» Er lächelte.
«Wo ist Bonello?» fragte ich.
Piani sah mich an.
«Er ist weg, Tenente», sagte er. «Er will sich gefangennehmen lassen.»
Ich sagte nichts.
«Er hatte Angst, daß man uns töten würde.»
Ich hielt die Weinflasche in der Hand und sagte nichts.
«Sehen Sie, Tenente, wir haben sowieso nichts vom Krieg.»
«Warum bist du nicht auch gegangen?»
«Ich wollte Sie nicht verlassen.»
«Wo ist er hingegangen?»
«Ich weiß nicht, Tenente. Er ist weggegangen.»
«Gut», sagte ich. «Willst du die Wurst schneiden?»
Piani sah mich im Zwielicht an.
«Ich hab sie doch geschnitten, während wir sprachen», sagte er. Wir saßen im Heu und aßen Wurst und tranken den Wein. Den Wein hatte man wahrscheinlich für eine Hochzeit aufgespart. Er war so alt, daß er bereits die Farbe verlor.
«Sieh du aus dem Fenster, Luigi», sagte ich. «Ich werde aus dem andern sehen.»
Wir hatten jeder von uns aus einer Flasche getrunken, und ich nahm meine Flasche mit mir und ging hinüber und legte mich flach aufs Heu und sah durch das enge Fenster auf das nasse Land. Ich weiß nicht, was ich zu sehen erwartete, aber ich sah nichts außer den Feldern und den kahlen Maulbeerbäumen und dem fallenden Regen. Ich trank den Wein, und ich fühlte mich schlecht danach. Man hatte ihn zu lange aufgehoben, er war hinüber und hatte seine Farbe und Güte verloren. Ich beobachtete, wie es draußen dunkel wurde; die Dunkelheit kam sehr schnell. Durch den Regen würden wir eine schwarze Nacht haben. Als es dunkel war hatte es keinen Sinn weiter aufzupassen, darum ging ich hinüber zu Piani. Er lag schlafend da, und ich weckte ihn nicht, sondern setzte mich eine Weile neben ihn. Er war ein großer Mann und er schlief fest. Nach einer Weile weckte ich ihn, und wir brachen auf.
Das war eine sehr seltsame Nacht. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, den Tod vielleicht und Schießen im Dunkeln und Rennen, aber es geschah nichts. Wir warteten, flach am Boden liegend, jenseits des Chausseegrabens der Hauptstraße, während ein deutsches Bataillon vorüberzog, dann, als sie vorbei waren, kreuzten wir die Straße und gingen weiter nach Norden zu. Zweimal waren wir im Regen sehr dicht an den Deutschen, aber sie sahen uns nicht. Wir gelangten, ohne einen Italiener zu sehen, nördlich an der Stadt vorbei; dann nach einer Weile kamen wir auf die Hauptrückzugsstraßen und gingen die ganze Nacht über dem Tagliamento zu. Ich hatte mir nicht vorgestellt, wie gigantisch dieser Rückzug war. Das ganze Land war in Bewegung, nicht nur die Armee. Wir gingen die ganze Nacht und gingen schneller als die Fahrzeuge. Mein Bein tat mir weh, und ich war müde, aber wir kamen gut voran. Es kam uns so dumm vor, daß Bonello beschlossen hatte, sich gefangennehmen zu lassen. Es war keine Gefahr. Wir hatten zwei Armeen ohne Zwischenfall passiert. Wenn Aymo nicht getötet worden wäre, hätte man überhaupt niemals an eine Gefahr gedacht. Niemand hatte uns belästigt, als wir deckungslos neben der Eisenbahn hergegangen waren. Das Totschießen kam plötzlich und sinnlos. Ich überlegte, wo Bonello wohl sein mochte.
«Wie geht's Ihnen, Tenente?» fragte Piani. Wir gingen am Rande einer Straße entlang, die von Truppen und Fahrzeugen überfüllt war.
«Glänzend.»
«Ich hab das Gehen satt.»
«Na, alles, was wir jetzt zu tun haben, ist Gehen. Wir brauchen uns keine Gedanken zu machen.»
«Bonello war ein Dummkopf.»
«Und ob er ein Dummkopf war!»
«Was werden Sie gegen ihn machen, Tenente?»
«Ich weiß nicht.»
«Können Sie nicht einfach schreiben: gefangengenommen?»
«Ich weiß nicht.»
«Sehen Sie, wenn der Krieg
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